Sorgerechts-Entzug bei fehlender Hilfe

Eigene Tochter mit Zuckererkrankung alleingelassen

Zu einer guten Erziehung zählt auch die Unterstützung des eigenen Kindes im Falle dauerhafter Erkrankungen. Wenn es den Eltern nicht gelingt, ausreichend Unterstützung zu geben, droht der Entzug der elterlichen Sorge für den Bereich Gesundheit, wie nachfolgender Fall zeigt:

Die seit dem achten Lebensjahr an Zucker (Diabetes mellitus Typ 1) erkrankte inzwischen 12-jährige Tochter musste wegen medizinischer Fehlversorgungen im väterlichen Haushalt mehrfach mit lebensgefährlich erhöhten Werten versorgt werden. Sogar eine Krankenhaus-Behandlung war erforderlich. 

Krankenhaus-Aufenthalt

Das Oberlandesgericht Köln hat in einer aktuellen Entscheidung (Aktenzeichen 14 UF 180/22) festgestellt, dass eine Kindeswohlgefährdung vorliege. Die elterliche Sorge wurde dem Kindesvater entzogen, bei dem die Tochter überwiegend lebt. Der Kindesvater war während der Arbeitszeit in der Regel mindestens 11 Stunden täglich berufsbedingt abwesend. Die Tochter erhielt vom Vater keine Unterstützung bei dem täglichen Diabetesmanagement. Einen Aufenthalt des Kindes in einer psychosomatischen Klinik, von der Diabetologin dringend empfohlen, hat der Kindesvater abgelehnt. Bei der regelmäßigen Einnahme von Medikamenten sowie bei der Organisation von Rezepten und Hilfsmitteln bedürfe es trotz der Erfahrung des Kindes einer elterlichen Hilfestellung. Diese seien nicht erkennbar, auch nicht bei der Mutter.

Das Oberlandesgericht hat darauf hingewiesen, dass die Entziehung der elterlichen Sorge sowie die Übertragung von Maßnahmen zu Gesundheitsfürsorge auf einen Ergänzungspfleger sachgerecht sei. Der Ergänzungspfleger könne Krankenhaustermine vereinbaren, sich um Rezepte und Hilfsmittel kümmern und mit dem Kind auf die Blutwerte und sonstigen Probleme, insbesondere im Bereich der Kontrolle bei sportlichen Aktivitäten des Kindes, besprechen. 

Jedenfalls sei die Unterstützung durch einen Ergänzungspfleger in Anbetracht der Verfehlung des Kindesvaters während der vergangenen Jahre eine sachgerechte präventive Maßnahme, um weiteren Krankenhausaufenthalten aufgrund fehlerhafter Insulinbehandlung zu begegnen. Der Kindesvater habe in der Vergangenheit nicht aktiv an der Erhaltung der Gesundheit seiner Tochter mitgewirkt.

Kein aktives Mitwirken

In Anbetracht der konkret drohenden Gefährdung des Kindeswohls sei ein Entzug der elterlichen Sorge für den Teilbereich der Gesundheitsfürsorge sachgerecht. Wegen der darüber hinausgehenden Bereiche der elterlichen Sorge verbleibt es bei der Verantwortung der Eltern, zum Beispiel für Schulangelegenheiten, religiöse Fragen oder finanzielle Angelegenheiten.

Kein Sorgerechtsentzug bei versäumten U-Untersuchungen

Gesundheitsfürsorge bleibt bei Mutter 

Damit Kinder gesund aufwachsen sowie Krankheiten früh erkannt und behandelt werden können, bieten Krankenversicherungen die Untersuchungen zur Früherkennung (sogenannte U1- bis U9-Untersuchungen) in den ersten sechs Lebensjahren des Kindes an.

In einen aktuellen Fall aus Hessen hatte eine allein sorgeberechtigte Mutter diese Untersuchungen für ihre beiden Kinder versäumt. Das Familiengericht erster Instanz hatte der Kindesmutter daraufhin die Gesundheitsfürsorge entzogen und dem Jugendamt übertragen. Dies erfolgte jedoch zu Unrecht, wie nunmehr das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt in einer Entscheidung vom Mai feststellt (Aktenzeichen 4 UF 19/23).

Untersuchungen versäumt

Denn das Kinderschutzgesetz in Hessen verzichte auf eine zwangsweise Durchsetzung der Teilnahme an diesen Untersuchungen und begründe die lediglich den Auftrag an das zuständige Jugendamt, zu ergründen, ob möglicherweise Gefahren für das Kind aufgrund der fehlenden Untersuchungen möglich seien.

Das OLG sieht keine Kindeswohlgefährdung allein durch das Versäumen der Untersuchung. Erst wenn feststellbar sei, dass der Gesundheitszustand der Kinder auffällig sei, könnten weitere Prüfungsmaßnahmen in Betracht kommen. Im laufenden Verfahren konnte auch das Gericht keine Hinweise auf familiäre oder erzieherische Defizite feststellen. Familienrechtliche Maßnahmen schieden daher nach Auffassung des OLG aus.

Kein Eingreifen des Familiengerichts

Auch in Niedersachsen hat das Gesetz zur Früherkennungsuntersuchung zum Ziel, die Gesundheit von Kindern zu fördern und den Kinderschutz zu verbessern. Hierzu gibt es ein verbindliches Einladungs- und Meldewesen, seit 2010 werden die Eltern von in Niedersachsen lebenden Kindern zu den Untersuchungen U5 bis U8 eingeladen. Ein Zwang zur Teilnahme besteht jedoch nicht. Das örtliche Jugendamt wird dann über ausbleibende Untersuchungen informiert und entscheidet selbstständig, ob Maßnahmen zu ergreifen sind.

Ergebnis

Das Jugendamt prüft in eigener Verantwortung, ob es das Familiengericht bei ausbleibenden Untersuchungen informiert. Diese Entscheidung des Jugendamtes unterliegt allein dem fachlichen Ermessen der dortigen Mitarbeiter und ist einer verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht zugänglich. Erst mit Anrufung des Familiengerichts hat dieses gegebenenfalls Kindeswohl-Maßnahmen zu ergreifen.

Jugendamt muss Gericht einschalten

Keine Inobhutnahme ohne Familiengericht

Kommt das Jugendamt während eines laufenden sorgerechtlichen Verfahrens zu dem Schluss, dass das Kind aus dem Elternhaushalt herausgenommen werden sollte, muss es eine entsprechende familien­gerichtliche Entscheidung herbeiführen. An diese Entscheidung ist das Jugendamt gebunden und kann insbesondere nicht eigenmächtig das Kind in Obhut nehmen. Dies hat das Verwaltungsgericht Hannover in einer aktuellen Entscheidung vom 13. Februar 2023 (Aktenzeichen 3 B 446/23) entschieden.

In dem zugrunde liegenden Fall hatte das Gericht darüber zu befinden, ob die Inobhutnahme von zwei minderjährigen Kindern durch das Jugendamt während eines laufenden sorgerechtlichen Verfahrens zulässig war. Das Jugendamt befürchtete, dass der Kindesvater, wie bereits früher geschehen, mit den Kindern untertauchen werde. 

Familiengericht entscheidet

Solange eine einvernehmliche Regelung zwischen sorgeberechtigten Eltern auf der einen Seite und dem Jugendamt auf der anderen Seite nach den Regelungen des Sozialgesetzbuches VIII nicht möglich ist, muss das Familiengericht sofort angerufen werden. Dies galt vorliegend auch deswegen, weil erkennbar war, dass der Kindesvater mit einer freiwilligen Herausgabe der Kinder nicht einverstanden war, auch eine vorübergehende Fremdunterbringung entsprach nicht dem Willen des sorgeberechtigten Vaters.

Unzulässigkeit der Inobhutnahme

Das Verwaltungsgericht Hannover hat Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Inobhutnahme. Nach Auffassung des Gerichts hätte das Jugendamt eine familiengerichtliche Entscheidung zum weiteren Aufenthalt der Kinder herbeiführen müssen. Die Entscheidung, wie immer diese ausgefallen wäre, hätte das Jugendamt hinnehmen müssen und wäre nicht berechtigt gewesen, eine aus seiner Sicht fachlich falsche Entscheidung des Familiengerichts mittels einer unmittelbar anschließenden Inobhutnahme zu überspielen. In Anbetracht der Situation hätte das Jugendamt zwingend das Familiengericht anrufen müssen und erst nach gerichtlicher Entscheidung die Kinder in Obhut nehmen dürfen.

Zweijähriges Kind ist vor Raketen zu schützen

Der Ukraine-Krieg wirkt sich auch auf das Familienrecht in Deutschland aus, wie folgender Fall zeigt:

Die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern einer 2-jährigen Tochter lebten bis zum März 2022 gemeinsam in Odessa im Süden der Ukraine. Nach Ausbruch des Krieges floh die Mutter mit der Tochter nach Deutschland. Der Vater war mit dem Wechsel des Aufenthaltsortes nach Stuttgart nicht einverstanden und begehrte die Rückführung des Kindes in die Ukraine, da die Mutter durch die Ausreise ohne seine Zustimmung das Mitsorgerecht verletzt habe. Die Mutter meint, dass es zu gefährlich sei, mit der Tochter in ein Kriegsgebiet zurückzukehren.

Widerrechtliches Verbringen nach Deutschland

Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart (Aktenzeichen 17 UF 186/22) hat in einer aktuellen Entscheidung der Kindesmutter recht gegeben und den Rückführungs-Antrag des Vaters zurückgewiesen.

Das OLG stellt zunächst fest, dass die Flucht aus der Ukraine nach Deutschland mit der Tochter gegen den Willen des Vaters ein widerrechtliches Verbringen des Kindes darstellt. Vorliegend sei jedoch nachgewiesen, dass eine Rückführung des Kindes in die Ukraine mit einer schwerwiegenden Gefahr des körperlichen und seelischen Schadens verbunden wäre.

Die aktuelle Kriegssituation, der Beschuss auch der Westukraine, in die der Vater mit seiner Tochter verziehen will, durch russische Raketen sowie die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für die Ukraine seien ausreichende Gründe, dass Kind nicht in ein Kriegsgebiet zurückführen zu lassen. Raketenangriffe, so dass OLG, seien in der Westukraine in Zukunft jederzeit möglich und auch wahrscheinlich.

Schutz des Lebens steht über Elternrecht

Die Umstände in der Ukraine gefährden das höchste Rechtsgut des Kindes, nämlich dessen Leben. Angesichts der Kriegshandlungen ist nicht nur mit einer Verängstigung des noch nicht 2 Jahre alten Kindes zu rechnen, sondern auch mit einer unzureichenden ärztlichen Versorgung.

Das OLG hat die vom Vater darüber hinaus beantragte Rückführung in die Republik Moldawien ebenfalls abgewiesen, da das Gesetz keine Rückführung in ein anderes Land als das des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes zulasse. Dies sei vorliegend ausschließlich die Ukraine als bisheriger Wohnsitz des Kindes.

Keine Gefährdung des Kindeswohl bei Förderdefizit

14-jähriges Mädchen bleibt bei Mutter

Die Möglichkeit, dass ein allein betreuender Elternteil eines schwer behinderten Kindes zukünftig ausfällt, stellt keine gegenwärtige Kindeswohlgefährdung dar.

Tochter mit früh- kindlichem Autismus

Die vorbeugende Fremdunterbringung in einer Einrichtung ohne konkreten Anlass rechtfertigt nicht den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts und der Gesundheitsfürsorge.

Zum Fall: Das Familiengericht der 1. Instanz hatte der alleinsorgeberechtigten Mutter Teile der elterlichen Sorge entzogen, um eine Unterbringung ihres 14-jährigen Kindes zu erreichen. Das Kind leidet unter frühkindlichem Autismus und hat einen sehr hohen Betreuungs- und Förderbedarf. Die Mutter werde langfristig nicht in der Lage sein, die Betreuung und Versorgung ohne Gefahr für das Wohl des Kindes sicherzustellen, so das Familiengericht. Die Mutter könne künftig nicht ausreichend auf das Kind einwirken.

Optimale Förderung nicht erzwingen

Das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig (Aktenzeichen 2 UF 222/22) sah dies anders und hat in einer aktuellen Entscheidung vom Dezember 2022 beschlossen, dass die elterliche Sorge bei der Mutter verbleibt. Die Möglichkeit, dass ein allein betreuender Elternteil eines schwer behinderten Kindes zukünftig ausfalle, stelle keine gegenwärtige Kindeswohlgefährdung dar. Die vorbeugende Fremdunterbringung zum Zwecke einer frühzeitigen Eingewöhnung in einer Einrichtung ohne konkreten Anlass rechtfertige nicht den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts und der Gesundheitsfürsorge. Auch der Vorwurf, dass das Kind nicht die bestmögliche Förderung erhalte, begründe keine Gefährdung des Kindeswohls.

Mutter und Schule als Förderer

Sowohl die Mutter als auch die umfassende Betreuung des Kindes in der Schule stellten sicher, dass die unverzichtbaren Bedürfnisse des Kindes gewährleistet würden. Eingriffe in das Sorgerecht, um eine optimale Förderung zu erzwingen, sind hingegen vom Kinderschutzrecht nicht erfasst. Das OLG hat ferner festgestellt, dass die Unterbringung des Kindes zum jetzigen Zeitpunkt seine Gesamtsituation nicht verbessern würde, da die psychische Belastung durch die Trennung von der Mutter und seinem bekannten Umfeld schwer wiege.

Pflegefamilie statt Elternhaushalt – Familiengericht sieht Vernachlässigung

Eine Trennung des Kindes von seiner Familie gegen den Willen der sorgeberechtigten Eltern ist erst dann zulässig, wenn das elterliche Fehlverhalten ein solches Ausmaß erreicht, dass das Kind bei einem Verbleiben in oder einer Rückkehr in die Familie in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist.

Aktuell hat das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig festgestellt, dass bei den Eltern von mangelnder Erziehungseignung auszugehen sei, wenn die Kinder im Haushalt hochgradig vernachlässigt würden und unzweifelhaft vorhandene Schädigungen auf physische Entbehrung und fehlende emotionale Zuwendung zurückzuführen seien (Entscheidung vom 14. Oktober 2021, Aktenzeichen 2 UF 74/21).

Konkrete Verfehlungen

Fünf Kinder im Alter zwischen fünf und elf Jahren lebten mit ihren Eltern in einem Haushalt. Nach wiederholten Jugendamts-Meldungen und diversen Polizeieinsätzen wurden die Kinder in Obhut genommen. Es sei festgestellt worden, dass die Kinder nicht ausreichend mit Essen versorgt sein. Auch hätten die Eltern es nicht geschafft, die Kinder vor Krankheiten zu schützen, der regelmäßige Schulbesuch sei nicht sichergestellt. Es kam zu Klassenwiederholungen. Die jüngeren Kinder sind entwicklungsverzögert. Ein Kindergarten-Besuch wurde abgelehnt.

Die inhaltliche Tiefe als auch der Umfang der elterlichen Verfehlungen rechtfertigen vorliegend eine Unterbringung in einer Pflegefamilie. Es hätte sich in den ersten Monaten bereits gezeigt, dass sich alle Kinder in Wohngruppen und Erziehungsstellen gut eingelebt hätten. Ein milderes Mittel als die Fremdunterbringung sei nicht ersichtlich, da bei den Eltern eine Bereitschaft zur Mitarbeit nicht festzustellen sei.

Im Ergebnis begründet das OLG, dass eine erhebliche Gefahr bei der Entwicklung der Kinder festzustellen sei. Dies beruhe auch auf konkreten Verdachtsmomenten und nicht nur auf abstrakten Gefahren.

Mildere Mittel nicht erkennbar

Die Familienrichter waren auch in der zweiten Instanz der Auffassung, dass die im Gesetz möglichen Einzelmaßnahmen wie die Entziehung der Elternrechte im Bereich der Gesundheitsfürsorge, der Schulangelegenheiten sowie des Aufenthaltsbestimmungsrechts erforderlich und angemessen waren.

Fazit: Zwar ist durch das Grundgesetz garantiert, dass die Pflege und Erziehung der Kinder frei von staatlichen Einflüssen ist. Bei einer Kindeswohlgefährdung kann das Familiengericht im Rahmen seiner Wächterfunktion Maßnahmen ergreifen, die bis zur Herausnahme eines Kindes aus der Familie reichen können.

Boosterimpfung von Alleinsorge umfasst

Auch über die Auffrischungsimpfung darf die Mutter alleine entscheiden

Die Eltern eines 13-jährigen gemeinsamen Sohnes sind sich nicht einig, ob ihr minderjähriges Kind gegen Corona geimpft werden soll oder nicht. Die Kindesmutter ist für eine Impfung, der Kindesvater dagegen. Die Eltern sind gemeinsam sorgeberechtigt.

Das Oberlandesgericht (OLG) München hat in zwei grundsätzlichen Entscheidungen vom September und nunmehr Ende Oktober 2021 zugunsten der Kindesmutter entschieden, da diese den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) folgt und das gemeinsame Kind impfen lassen will.

Alleinsorge auch für Booster-Impfung

Das OLG hat nunmehr (Aktenzeichen 26 UF 928/21) am 18. Oktober 2021 entschieden, dass das Recht, das eigene Kind mit einem von der STIKO empfohlenen Impfstoff impfen zu lassen auch für künftige Auffrischung und Folgeimpfungen gelte.

Die Entscheidung über die Verabreichung von Impfungen ist einheitlich zu treffen und umfasst nicht nur Erst- und Zweitimpfungen gegen Covid-19 für alle zwölf bis 17-jährigen Kinder. Dieses gelte umso mehr, als dass das 13-jährige Kind die erste Impfung vom August 2021 und die zweite Impfung vom September 2021 gut verkraftet habe. Nebenwirkungen oder Komplikationen ergaben sich nicht.

Die Familienrichter haben keine Veranlassung, die Empfehlungen der STIKO anzuzweifeln. Vielmehr ist davon auszugehen, dass diese Expertenkommission auch und gerade bei der Impfung gegen Corvid-19 eine sorgfältige Prüfung angestellt und unter Abwägung aller sachverständigen Erkenntnisse die entsprechende Impfung für Kinder im Alter von 12-17 Jahren ausgesprochen hat.

Arzt entscheidet

Im Übrigen liegt die Verantwortung letztendlich bei den Ärzten, die die Impfungen in Anbetracht der konkreten Risiken für das Kind in Anbetracht dessen Vorerkrankungen durchführen oder nicht.

Im Ergebnis umfasst die Übertragung der elterlichen Sorge für diesen Einzelbereich der Gesundheitsfürsorge auf die Kindesmutter dem Wohle des Kindes am besten, sodass auch für Booster-Impfungen die Kindesmutter Entscheidungen ohne Zustimmung des Kindesvaters treffen kann.

Vater darf mit Sohn gegen den Willen der Mutter verreisen

14 Tage USA-Urlaub möglich

Eine zweiwöchige USA-Reise eines sechsjährigen Kindes zum Besuch der dort lebenden Großeltern ist keine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung.

Die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern schließen im Umgangsverfahren eine Vereinbarung zu den laufenden Kontakten des Antragstellers mit dem gemeinsamen sechsjährigen Sohn. Der Vater als amerikanischer Staatsangehöriger will mit seinem Sohn in den Sommerferien in die USA verreisen, die Kindesmutter hat dem nicht zugestimmt.

Das Familiengericht Leipzig gab der Mutter zunächst Recht: das Kind bleibt hier. Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden hat jedoch dem Vater einen Ferienumgang für die Dauer von 14 Tagen zur Durchführung der Reise in die USA zugebilligt, (OLG Dresden vom 25. Juni 2021, Aktenzeichen 21 UF 350/21).

Familienkontakte dienen Kindeswohl

Sowohl der 14-tägige Ferienumgang im Juli 2021 als auch der damit verbundene Besuch der Großeltern entspreche dem Kindeswohl, da es die geistig-seelische Entwicklung des Kindes fördere, wenn es Umgang mit möglichst vielen Personen der Familie pflege. Besonders bleibt zu beachten, dass sich die Großeltern bereits in sehr fortgeschrittenem Alter befänden und nach dem Vorbringen des Vaters die Reise nach Deutschland nicht mehr antreten könnten. Die Großmutter sei dem Kind aus früheren Besuchen in Deutschland bekannt. Durch den Ferienbesuch könnten die Kontakte zwischen Großmutter und Enkelsohn vertieft werden.

Fraglich ist vorliegend, ob beide Eltern der Reise zustimmen müssen oder der Kindesvater während seiner Besuchszeit in der Gestaltung der Umgangskontakte frei ist. Nach Ansicht des OLG Dresden handelt es sich bei der geplanten Reise nicht um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung. Grundsätzlich gelte dies für Reisen nur, wenn es sich um Fernreisen in das außereuropäische Ausland handele, sie in ein politisches Krisengebiet führten (Syrien oder Afghanistan) oder es für den Urlaubsort Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes gebe. Dies gelte für den konkreten Fall nicht. Trotz der fortbestehenden Pandemie überwiegten die Vorteile der Reise die damit verbundenen Nachteile. Eine Reisewarnung für die USA habe nicht bestanden. Folglich kann der Vater den Umgang selbst gestalten und zwischen Urlauben in den USA, im Oberharz oder an der Ostsee selbst entscheiden.

Der Vater kann frei entscheiden

Dem Vater und dessen Sohn drohten gegenwärtig weder in den USA noch in Deutschland eine Quarantäne-Pflicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind nach Ablauf des Ferienumgangs nicht nach Deutschland zurückkehren könne und dadurch sein seelisches Wohl beeinträchtigt werde, sei als gering zu beurteilen.

Bei der Dauer des Umgangskontakts sei zu berücksichtigen, dass es in der Vergangenheit nur einen einwöchigen Ferienumgang gegeben habe, so dass eine zweiwöchige Reise angemessen sei. Eine Überforderung des Kindes durch die Dauer des Umgangs, der auch die erforderlichen Flugzeiten einschließe, sei daher nicht zu befürchten. Der Vater gehe mit dem Kind liebevoll um und stehe mit der Kindesmutter auch während des USA-Aufenthalts in Kontakt.

Fazit: Während des Aufenthalts des Kindes bei einem Elternteil bedarf es für Umgangszeiten keine Zustimmung des anderen Elternteils über die konkrete Gestaltung. Eine Grenzziehung erfolgt in der Rechtsprechung dann, wenn die beabsichtigte Reise dem Kindeswohl entgegensteht, davon ist insbesondere bei Reisen in politische Krisengebiete auszugehen.

Unverheiratete Kindesmutter muss nicht Vollzeit arbeiten

Kinderbetreuung: 3/4 –Stelle reicht aus

Die Kindeseltern sind nicht verheiratet, das Kind lebt seit der Geburt bei der Kindesmutter, nachdem die Eltern sich getrennt haben. Bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes besteht eine Unterhaltsverpflichtung des Vaters. Denn mit der Einführung dieses Basisunterhalts bis zum 3. Geburtstag hat der Gesetzgeber dem betreuenden Elternteil die freie Entscheidung eingeräumt, ob er das Kind in ersten drei Lebensjahren in vollem Umfange selbst betreut oder andere Betreuungsmöglichkeiten in Anspruch nehmen will. Es besteht keine Erwerbsobliegenheit.

Basisunterhalt nur bis zum 3. Geburtstag

Doch was ist nach dem 3. Geburtstag? Der Unterhaltsanspruch verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Hierzu hat das Oberlandesgericht (OOLG) Köln vor wenigen Wochen folgendes entschieden:

Die Mutter eines 5-jährigen Kindes, welches wöchentlich 45 Stunden in einer Tagesstätte betreut wird, genügt ihrer Erwerbsobliegenheit mit einer ¾-Stelle, wenn ihr wegen der erforderlichen Fahrzeiten zum Arbeitsplatz während der vom Betreuung des Kindes die Ausübung einer 40-Stunden-Arbeitswoche nicht möglich ist.

Denn mit der Vollendung des 3. Lebensjahres soll dem Elternteil kein abrupter Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeit-Tätigkeit verlangt werden. Ein gestufter Übergang ist wünschenswert.

Einklang zwischen Betreuung und Arbeit

Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein fünfjähriges, altersentwickeltes Kind ohne Entwicklungsdefizite. Unter Berücksichtigung von Fahrzeiten zum Arbeitgeber und einer Homeoffice-Tätigkeit sieht das OLG eine wöchentliche Arbeitszeit von rund 30 Stunden als angezeigt an. Das Kind besucht den Kindergarten 9 Stunden von Montag bis Freitag. Die Kindesmutter, so das Gericht, habe dann bei einer Betreuungszeit im Kindergarten von durchschnittlich 9 Stunden täglich die Möglichkeit, fünf bis sieben zu arbeiten, rund einer Stunde verbleibe dann täglich für Freizeitgestaltung zuzüglich Fahrzeit von insgesamt einer Stunde zwischen Wohnung und Arbeit an den Office-Tagen (Beschluss vom 1. März 2021, Aktenzeichen 25 UF 147/20 ).

Der Kindesmutter ist auch zuzubilligen, dass sie Arztbesuche ohne Begleitung ihres Sohnes wahrnimmt. Eine Entlastung durch den Kindesvater, der jeglichen Umgangskontakt mit dem Sohn ablehnt, findet auf Seiten der Kindesmutter nicht statt.

Ergebnis:

Auch nach dem drei Geburtstag des Kindes steht dem betreuenden Elternteil aus Gründen, die den Elternteil betreffen, wie hier, oder die das Kind betreffen (Fremdbetreuung nicht gesichert oder gesundheitliche Einschränkungen beim Kind) ein Unterhaltsanspruch gegenüber dem anderen Elternteil zu. Dabei ist der Anspruch der Mutter darauf beschränkt, was sie ohne die Geburt verdienen würde. Der Selbstbehalt des Vaters liegt bei 1280 €.

Wegen Corona-Impfung: Teilsorgerecht für Befürworter

Kindesmutter gegen Covid-Imfpung – Vater entscheidet

Auch bei vorhandener Einwilligungsfähigkeit in eine Corona-Schutzimpfung bei einem 16-jährigen Kind bedarf es der Übereinstimmung mit beiden Eltern. Können diese sich in dieser Frage nicht einigen, ist die Entscheidung über die Durchführung der Corona-Impfung bei einer vorhandenen Empfehlung der Impfung durch die STIKO und bei einem die Impfung befürwortenden Kindeswillen auf denjenigen Elternteil zu übertragen, der die Impfung befürwortet. 

Mutter: Impfung ist „Gentherapie“

Der konkrete Fall: Die geschiedenen Eltern eines 2005 geborenen Kindes üben gemeinsam die elterliche Sorge aus. Bei dem fast 16-Jährigen liegt gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch Institut (STIKO) aufgrund von Vorerkrankungen eine eindeutige medizinische Indikation für eine Impfung gegen das Corona Virus SARS-CoV-2 mit einem mRNA-Impfstoff vor. Vater und Kind befürworten eine Impfung, die Mutter ist damit nicht einverstanden und bezeichnet die Impfung als „Gentherapie“.

Zunächst stellt das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt fest, dass die Entscheidung über die Durchführung einer Impfung gegen das Corona Virus eine derartige Angelegenheit von erheblicher Bedeutung sei und kein Geschäft des täglichen Lebens (Aktenzeichen 6 UF 120/21, Beschluss vom 17.08.2021).

Die Entscheidungsbefugnis sei demjenigen Elternteil zu übertragen, der die Impfung des Kindes entsprechend den Empfehlungen der STIKO befürworte, soweit – wie vorliegend – bei dem Kind keine besonderen Impfrisiken vorlägen. Bereits zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung habe eine Empfehlung der STIKO für eine COVID-19 Impfung als Indikationsimpfung für Kinder und Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf (hier: Adipositas) der COVID-19 Erkrankung bestanden. Daher komme es gar nicht darauf an, dass sich die STIKO am 16.08.2021 nunmehr für Corona-Impfungen aller Kinder und Jugendlichen von mindestens 12 Jahren ausgesprochen habe.

16 Jähriger befürwortet Impfung

Zudem, so das OLG, sei nach § 1697a BGB auch der Kindeswille zu beachten. Dies gelte jedenfalls dann, wenn das Kind sich im Hinblick auf sein Alter und seine Entwicklung auch eine eigenständige Meinung zum Gegenstand des Sorgerechtsstreits bilden könne. Es stehe außer Frage, dass der 16-Jährige aufgrund seines Alters und seiner Entwicklung im Stande sei, sich eine eigene Meinung über den Nutzen und die Risiken der Corona-Schutzimpfung zu bilden. Insofern spreche auch die Rücksichtnahme auf den Willen des Kindes bei sorgerechtlichen Entscheidungen vorliegend für die bessere Entscheidungskompetenz des Kindesvaters.

Im Ergebnis hat das OLG für diesen Teilbereich der Personensorge dem Kindesvater aufgrund dessen Befürwortung der Corona-Impfung das alleinige Entscheidungsrecht übertragen.