Keine Gefährdung des Kindeswohl bei Förderdefizit

14-jähriges Mädchen bleibt bei Mutter

Die Möglichkeit, dass ein allein betreuender Elternteil eines schwer behinderten Kindes zukünftig ausfällt, stellt keine gegenwärtige Kindeswohlgefährdung dar.

Tochter mit früh- kindlichem Autismus

Die vorbeugende Fremdunterbringung in einer Einrichtung ohne konkreten Anlass rechtfertigt nicht den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts und der Gesundheitsfürsorge.

Zum Fall: Das Familiengericht der 1. Instanz hatte der alleinsorgeberechtigten Mutter Teile der elterlichen Sorge entzogen, um eine Unterbringung ihres 14-jährigen Kindes zu erreichen. Das Kind leidet unter frühkindlichem Autismus und hat einen sehr hohen Betreuungs- und Förderbedarf. Die Mutter werde langfristig nicht in der Lage sein, die Betreuung und Versorgung ohne Gefahr für das Wohl des Kindes sicherzustellen, so das Familiengericht. Die Mutter könne künftig nicht ausreichend auf das Kind einwirken.

Optimale Förderung nicht erzwingen

Das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig (Aktenzeichen 2 UF 222/22) sah dies anders und hat in einer aktuellen Entscheidung vom Dezember 2022 beschlossen, dass die elterliche Sorge bei der Mutter verbleibt. Die Möglichkeit, dass ein allein betreuender Elternteil eines schwer behinderten Kindes zukünftig ausfalle, stelle keine gegenwärtige Kindeswohlgefährdung dar. Die vorbeugende Fremdunterbringung zum Zwecke einer frühzeitigen Eingewöhnung in einer Einrichtung ohne konkreten Anlass rechtfertige nicht den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts und der Gesundheitsfürsorge. Auch der Vorwurf, dass das Kind nicht die bestmögliche Förderung erhalte, begründe keine Gefährdung des Kindeswohls.

Mutter und Schule als Förderer

Sowohl die Mutter als auch die umfassende Betreuung des Kindes in der Schule stellten sicher, dass die unverzichtbaren Bedürfnisse des Kindes gewährleistet würden. Eingriffe in das Sorgerecht, um eine optimale Förderung zu erzwingen, sind hingegen vom Kinderschutzrecht nicht erfasst. Das OLG hat ferner festgestellt, dass die Unterbringung des Kindes zum jetzigen Zeitpunkt seine Gesamtsituation nicht verbessern würde, da die psychische Belastung durch die Trennung von der Mutter und seinem bekannten Umfeld schwer wiege.