Pflegefamilie statt Elternhaushalt – Familiengericht sieht Vernachlässigung

Eine Trennung des Kindes von seiner Familie gegen den Willen der sorgeberechtigten Eltern ist erst dann zulässig, wenn das elterliche Fehlverhalten ein solches Ausmaß erreicht, dass das Kind bei einem Verbleiben in oder einer Rückkehr in die Familie in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist.

Aktuell hat das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig festgestellt, dass bei den Eltern von mangelnder Erziehungseignung auszugehen sei, wenn die Kinder im Haushalt hochgradig vernachlässigt würden und unzweifelhaft vorhandene Schädigungen auf physische Entbehrung und fehlende emotionale Zuwendung zurückzuführen seien (Entscheidung vom 14. Oktober 2021, Aktenzeichen 2 UF 74/21).

Konkrete Verfehlungen

Fünf Kinder im Alter zwischen fünf und elf Jahren lebten mit ihren Eltern in einem Haushalt. Nach wiederholten Jugendamts-Meldungen und diversen Polizeieinsätzen wurden die Kinder in Obhut genommen. Es sei festgestellt worden, dass die Kinder nicht ausreichend mit Essen versorgt sein. Auch hätten die Eltern es nicht geschafft, die Kinder vor Krankheiten zu schützen, der regelmäßige Schulbesuch sei nicht sichergestellt. Es kam zu Klassenwiederholungen. Die jüngeren Kinder sind entwicklungsverzögert. Ein Kindergarten-Besuch wurde abgelehnt.

Die inhaltliche Tiefe als auch der Umfang der elterlichen Verfehlungen rechtfertigen vorliegend eine Unterbringung in einer Pflegefamilie. Es hätte sich in den ersten Monaten bereits gezeigt, dass sich alle Kinder in Wohngruppen und Erziehungsstellen gut eingelebt hätten. Ein milderes Mittel als die Fremdunterbringung sei nicht ersichtlich, da bei den Eltern eine Bereitschaft zur Mitarbeit nicht festzustellen sei.

Im Ergebnis begründet das OLG, dass eine erhebliche Gefahr bei der Entwicklung der Kinder festzustellen sei. Dies beruhe auch auf konkreten Verdachtsmomenten und nicht nur auf abstrakten Gefahren.

Mildere Mittel nicht erkennbar

Die Familienrichter waren auch in der zweiten Instanz der Auffassung, dass die im Gesetz möglichen Einzelmaßnahmen wie die Entziehung der Elternrechte im Bereich der Gesundheitsfürsorge, der Schulangelegenheiten sowie des Aufenthaltsbestimmungsrechts erforderlich und angemessen waren.

Fazit: Zwar ist durch das Grundgesetz garantiert, dass die Pflege und Erziehung der Kinder frei von staatlichen Einflüssen ist. Bei einer Kindeswohlgefährdung kann das Familiengericht im Rahmen seiner Wächterfunktion Maßnahmen ergreifen, die bis zur Herausnahme eines Kindes aus der Familie reichen können.