Wer entscheidet über die religiöse Erziehung? Mutter oder Vater?

Die Eltern, gleich ob verheiratet oder nicht, erziehen ihre Kinder auch im religiösen Einvernehmen der bisherigen Familie. Bei unterschiedlichen Konfessionen ist die Frage, wie frühzeitig eine Integration des gemeinsamen Kindes in die Glaubensgemeinschaft eines Elternteils angezeigt ist oder nicht.

Die religiöse Kindererziehung als Teil der elterlichen Personensorge hat auch den Willen jüngerer Kinder besonders zu berücksichtigen. Die Religionsmündigkeit des Kindes beginnt mit Vollendung des 14. Lebensjahres. Denn nach der Vollendung des 14. Lebensjahrs steht dem Kinde die Entscheidung darüber zu, zu welchem religiösen Bekenntnis es sich halten will, so das Gesetz über die religiöse Kindererziehung.

Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat in einer aktuellen Entscheidung (Aktenzeichen 17 UF 292/15) nunmehr der katholischen Kindesmutter das Recht gegeben, für den neunjährigen Jungen darüber zu entscheiden, wie er religiös erzogen werden soll. Der Kindesvater war serbisch-orthodoxer Konfession. Eine Taufe des neunjährigen Kindes war nicht erfolgt.

Das Familiengericht hat argumentiert, dass das Kind seinen Glauben praktiziere und den Wunsch geäußert habe, dass es die baldige Taufe und Kommunion wünsche. Das Kind wachse bei der Kindesmutter in einem katholischen Umfeld auf und werde durch dieses geprägt. Falls es nicht an der Kommunion teilnehmen dürfe, sei nicht auszuschließen, dass das Kind seinen Vater dafür verantwortlich mache und das Eltern-Kind-Verhältnisse leide. Von daher sei, so das Gericht, der Kindesmutter die Alleinentscheidungsbefugnis über Taufe und Kommunion zuzusprechen, um die sofortige Integration des Kindes in eine Glaubensgemeinschaft zu ermöglichen.

Inwieweit das Kontinuitätsprinzip eine Rolle spielt, lässt das OLG Stuttgart offen: denn Kindeseltern mit einer unterschiedlichen weltanschaulichen Ausrichtung haben zumeist während des Zusammenlebens ein Einvernehmen erzielt, wie sie mit diesem Unterschied umgehen. Die unterschiedlichen Konfessionen haben das Kind durchaus geprägt, sodass im Einzelfall zu berücksichtigen ist, wie bis zur Religionsmündigkeit über diese Fragen der religiösen Erziehung zu entscheiden ist.

 

Autor dieses Beitrages ist Rechtsanwalt Henning Gralle, Oldenburg, zugleich Fachanwalt für Familienrecht; nähere Angaben unter www.fachanwalt-gralle.de