Handykonsum des Kindes – Eltern entscheiden selbst, nicht das Jugendamt

Die Erziehung der Kinder bleibt in erster Linie ein Recht der Eltern. Staatliche Eingriffe in dieses durch das Grundgesetz geschützte Recht sind erst zulässig, wenn Gründe des Kindeswohls dies dringend gebieten. Dies erfordert eine bereits bestehende oder zumindest nahe bevorstehende Gefahr für die Entwicklung des Kindes, das heißt, dass sich eine erhebliche Schädigung des körperlichen, seelischen oder geistigen Wohls mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt.

Erst wenn diese Voraussetzungen durch ein Familiengericht festgestellt sind, kommen staatliche Schutzmaßnahmen in Betracht. Das Grundgesetz ist nicht dazu geschaffen, für eine bestmögliche Förderung der Fähigkeiten der Kinder zu sorgen. Die staatliche Unterstützung -als Ansprechpartner dient hier das zuständige Jugendamt- ist zum Beispiel im Rahmen einer sozialpädagogischen Familienhilfe vorzuziehen.

In einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt vom Juni 2018 (Aktenzeichen 2 UF 41/18) wurde festgestellt, dass die Verantwortung für die Kinder im Rahmen der sogenannten elterlichen Sorge durch beide Eltern ausgeübt wird. Die Eltern selbst stritten vor dem OLG über das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die neun Jahre alte Tochter. Im konkreten Fall wurde der Mutter aufgegeben, verbindliche Zeiten für die Nutzung des Internets zu finden und dem Kind bis zum zwölften Lebensjahr kein eigenes Handy zur Verfügung zu stellen. Das OLG stellt fest, dass die erteilten Auflagen aufzuheben sind. Denn die Möglichkeit eines Schadenseintritts rechtfertige keine Eingriffsmaßnahmen des Staates, in diesem Falle des örtlichen Jugendamtes.

Die allgemeinen Risiken der Nutzung eines Handys und moderner Medien begründeten nicht grundsätzlich eine hinreichend konkrete Kindeswohlgefährdung. Schädigungsformen seien im Ergebnis nicht anders zu bewerten als bei technisch seit längerer Zeit bekannten Medien. Auch ausgedehnte Fernsehzeiten führen nicht automatisch dazu, eine Schädigung anzunehmen. Im konkreten Einzelfall muss es Anhaltspunkte geben, aus denen sich eine konkrete Gefahr für die Kinder ergebe.

Das durch das Jugendamt aufgegebene Handyverbot sei nicht zu rechtfertigen. Der komplett freie Medien- und Internetkonsum berge zwar Gefahren. Hier müssten Eltern auch im Rahmen des erzieherischen Auftrages eingreifen, jedoch könne ohne konkrete Anhaltspunkte, dass das Kind durch den Medienkonsum gefährdet sei, den Eltern nicht aufgezwungen werden, welchen Umgang sie ihren Kindern mit den Medien gewähren.

Das OLG stellt fest, dass sowohl die wirtschaftlichen Verhältnisse als auch die Lebensumstände der Eltern zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes gehörten. Kinder hätten einen Anspruch auf angemessene Erziehung, erst bei einem elterlichen Versagen in der Erziehung kommt eine staatliche Maßnahme zur Abwehr der Kindeswohlgefährdung in Betracht. Auch diese müsse erforderlich und verhältnismäßig sein.

 

Autor dieses Beitrages ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Henning Gralle, www.fachanwalt-gralle.de