Sittenwidriger Darlehnsvertrag nicht nur bei Eheleuten

In guten Zeiten macht man sich oft wenig Gedanken über die Folgen einer Unterschrift. Tritt dann ein Haftungsszenario ein, kann dies existenzbedrohend werden. Das Oberlandesgericht Oldenburg entschied nun zugunsten einer Frau, die den Kredit ihres ehemaligen Partners bedienen sollte. Denn der kleine Gefallen entpuppte sich als große Belastung.

Konnte eine Bank erkennen, dass die mitunterzeichnende Partei eines Darlehensvertrags im Haftungsfall finanziell krass überfordert sein würde, kann jener Darlehensvertrag sittenwidrig sein. So liegen die Dinge jedenfalls in dem Fall einer jungen Frau, über den das OLG zu entscheiden hatte (Urt. v. 29.06.2023, Az. 8 U 172/22).

Darlehensrate von 1065 Euro bei 1300 Euro Einkommen

Die 20-Jährige verdiente als Verkäuferin in einer Bäckerei monatlich ca. 1300 Euro netto. Sie unterschrieb im Frühjahr 2018 neben ihrem Freund einen Darlehensvertrag über knapp 90.000 Euro mit einer monatlichen Rate von 1065 Euro. Der Freund wollte mit dem Geld alte Kredite umschichten und sich ein Auto kaufen. 

Zwei Jahre später kündigte die Bank den Kreditvertrag, weil der Freund die Raten nicht mehr bedient hatte. Sie stellte die Restforderung von 58.000 Euro fällig. Weil die Bank von dem inzwischen getrennt lebenden Partner der jungen Frau das Geld nicht erhielt, verklagte die Bank die Frau mit Erfolg vor dem Landgericht Osnabrück. In der Zweiten Instanz war die junge Frau erfolgreich, denn sie schloss den Vertrag nur ihrem Ex-Partner zuliebe. Die Bank habe die Frau in sittlich anstößiger Weise zur Mithaftung bezüglich der Rückzahlung des Darlehens ausgenutzt. Die Bank habe erkennen können, dass die Frau bei deren Nettoeinkommen monatlich finanziell krass überfordert sei, ein Darlehen in Höhe von gut 1000 € monatlich zu zahlen. Ein eigenes wirtschaftliches Interesse an dem Darlehen hatte die junge Frau nicht, dies hätte die Bank auch erkennen können und müssen.

OLG: Bank wusste, dass es im Haftungsfall existenzbedrohlich werden würde

Die Bank als Geldgeber habe also die Tatsache erkannt, dass die Haftung die Frau finanziell ruinieren könne. Es widerspreche dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, wenn Banken dann eine solche Situation ausnutzten. Der Vertrag ist daher sittenwidrig und nichtig mit dem Ergebnis, dass die Frau die Darlehensraten nicht zahlen muss.

Diese Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit aufgrund emotionaler Verbundenheit schützt grundsätzlich auch Ehegatten und Verlobte, Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft und Eltern, gleichgestellt sind Kinder, dagegen nicht erwachsene Geschwister.

Betreuungsunterhalt bei Schwerstbehinderung auch für volljährige Tochter

Ehegattenunterhalt bei Kinderbetreuung

Für welche Dauer ist nachehelicher Unterhalt zu zahlen? Neben der Einkommenssituation der geschiedenen Ehegatten ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit die Pflege oder Erziehung gemeinschaftlicher Kinder die berufliche Tätigkeit einschränken. Grundsätzlich kann ein geschiedener Ehegatte wegen der Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens 3 Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Dieser Anspruch verlängert sich, soweit dies der Billigkeit entspricht, dabei sind die Belange des Kindes und die Möglichkeiten der Betreuung des Kindes zu berücksichtigen.

Auch für volljährige Kinder besteht die Betreuungsnotwendigkeit fort, wenn entsprechende gesundheitliche Gründe beim Kind gegeben sind, wie ein aktueller Fall des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt (Aktenzeichen 6 UF 69/23) deutlich macht.

Betreuungsunterhalt bei 19jähriger Tochter

Die 19-jährige Tochter lebt mit der geschiedenen Ehefrau in einer Wohnung, der Kindesvater leistet Volljährigenunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle. Bei der 19-jährigen Tochter handelt es sich um ein Mädchen mit zwei Gendefekten (Trisomie und Monosomie), schwerster Intelligenzminderung, einem Behinderungsgrad von 100 bei Eingruppierung in Pflegegrad 4. Der wöchentliche Pflegeaufwand wurde vom medizinischen Dienst mit 70 Stunden festgestellt. Drei wöchentliche Termine bei der Physiotherapie sowie tägliches Muskeltraining sind erforderlich. Das Mädchen kann weder schreiben noch rechnen und lesen.

Das OLG hat festgestellt, dass in Anbetracht der Betreuungsbedürftigkeit des Kindes ein Wechsel in eine Wohngruppe nicht angezeigt ist. Der Betreuungsaufwand der Kindesmutter ist trotz des Besuchs des Kindes in einer Förderschule erheblich. Die Kindesmutter ist auch Betreuerin des Kindes und daher berechtigt, über den Aufenthalt des eigenen Kindes in dem bisherigen Familienumfeld zu entscheiden. Zahlreiche Maßnahmen der täglichen Gesunderhaltung können nur von der Kindesmutter geleistet werden. Eine berufliche Tätigkeit neben der Betreuung des Kindes erkennt das Oberlandesgericht nur in geringem Umfang an.

Keine volle Erwerbsverpflichtung der Mutter

Im Ergebnis verbleibt es daher bei einem Ehegatten-Unterhaltsanspruch in Höhe von rund 1100 € inklusive Beiträgen für die Kranken-und Pflegeversicherung. Dieser Betrag ergibt sich aus einer unterhaltsrechtlichen Berechnung der Einkünfte der geschiedenen Ehegatten, bei der Kindesmutter werden fiktive Einkünfte eines Minijobs auf 520 € Basis berücksichtigt.

Es bleibt festhalten, dass Betreuungsutnerhalt aufgrund der Betreuung eines Kindes nicht automatisch mit dem dritten Geburtstag des Kindes endet, sondern entsprechend der individuellen Entwicklung des Kindes auch über die Volljährigkeit hinaus andauern kann.

Hohes Einkommen – hoher Kindesunterhalt

Familienrecht – keine Einkommenskürzung wegen 60-Stunden-Woche

Die Unterhaltsansprüche eines Kindes richten sich nach dem Einkommen der Eltern. Abgesehen von den seltenen Fällen eines von den Eltern praktizierten Wechselmodells, also einer zeitlich nahezu gleichen Betreuung des Kindes, richtet sich die Höhe des Barunterhalts nach dem Einkommen des Elternteils, der das Kind nicht betreut. Der betreuende Elternteil, meist die Mutter, erbringt die Unterhaltsleistung durch die Versorgung und Verpflegung des Kindes.

Sohn profitiert vom hohen Einkommen

In einem aktuellen Fall aus Düsseldorf stritt der Vater eines 14-jährigen Sohnes mit der Kindesmutter um die Höhe des Unterhalts. Der Vater, als Patentanwalt in Düsseldorf selbstständig tätig, erwirtschaftete nach Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern in den vergangenen Jahren ein Nettoeinkommen zwischen 7000 und 9000 €. Hieraus ermittelten sich Unterhaltsforderungen des Sohnes in Höhe von bis zu 1000 € monatlich.

Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 20.12.2022, Aktenzeichen 1 UF 78/22) hat festgehalten, eine Einkommenskürzung ausscheidet. 

Der Vater war der Auffassung, dass er als selbstständiger Anwalt in Düsseldorf monatlich 60 bis 70 Stunden arbeite und daher über die übliche Erwerbsverpflichtung von 40 Stunden wöchentlich hinaus tätig sei. Diese überobligatorischer Tätigkeit müsse dazu führen, dass sein Einkommen zu kürzen sei auf einen Betrag, der einer Tätigkeit aus einer 40 Stunden-Arbeitswoche entspreche. Er dürfe als Vater nicht schlechter gestellt werden als ein abhängig Beschäftigter mit einer üblichen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden. Dem ist das Oberlandesgericht Düsseldorf nicht gefolgt und stellt fest:

60-Stunden-Woche nicht überobligatorisch 

Eine – wie auch immer bemessene – Kürzung der Gewinneinkünfte ist auch unter dem Gesichtspunkt einer überobligatorischen Tätigkeit nicht gerechtfertigt. Allein der zeitliche Umfang der Tätigkeit rechtfertigt bei freiberuflich Tätigen nicht den Schluss auf eine über das unterhaltsrechtlich geschuldete Maß hinausgehende Tätigkeit. Denn Freiberufler sind in aller Regel nicht lediglich im Umfang tariflicher Arbeitszeiten, sondern generell deutlich umfangreicher erwerbstätig, so dass – insbesondere auch bezogen auf die hochqualifizierte Tätigkeit als Patentanwalt – schon nicht von einer das übliche Maß deutlich überschreitenden zeitlichen Inanspruchnahme ausgegangen werden kann. Hinzu kommt, dass Freiberufler im Hinblick auf ihre im Vergleich zu abhängig Beschäftigten größere Dispositionsfreiheit bezüglich der Lage ihrer Arbeitszeit von einem größeren Arbeitsvolumen nicht so sehr in ihren Interessen beeinträchtigt werden wie abhängig Beschäftigte, so dass die zeitliche Inanspruchnahme des Antragsgegners für sich genommen nicht in dem Sinne als überobligationsmäßig gewertet werden kann, dass eine Herabsetzung des Einkommens des Antragsgegners und damit eine Schmälerung des Kindesunterhalts sachgerecht und angemessen wäre.

Fazit:

Einkommen ist überobligatorisch, wenn eine Tätigkeit ausgeübt wird, obwohl für sie keine Erwerbsobliegenheit besteht. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie jederzeit beendet werden darf.  Aufgrund der Erwerbspflicht ist der Vater im vorliegenden Falle gehalten, alle zumutbaren Einkünfte zu erzielen, dazu zählen auch Einkünfte aus einer anwaltlichen Tätigkeit, die über eine 40-Stunden-Woche hinaus geht.

Unterhaltsanspruch trotz neuer mehrjähriger Beziehung – dauerhafte Bindung nach drei Jahren

Anfeindungen gegen neuen Freund nachteilig

Die Eheleute leben in Trennung, der gut verdienende Ehemann muss an seine Ehefrau Unterhalt für die Zeit der Trennung zahlen, im konkreten Fall immerhin 1500 Euro monatlich.

Die Ehefrau lebt seit zwei Jahren in einer neuen Beziehung, der Partner übernachtet mehrfach in der Woche bei der Ehefrau, hat einen Schlüssel zum Haus und die Ehefrau und ihr neuer Lebensgefährte verbringen gemeinsame Urlaube.

Der getrennt lebende Ehemann ist der Auffassung, nach zwei Jahren Beziehung sei ein neuer Mann an die Seite seiner Frau getreten, er könne Unterhaltszahlungen einstellen, die Verpflichtung zur Zahlung sei verwirkt.

Neue Beziehung nach Trennung verwirkt Unterhalt nicht sofort

Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf folgt in einer aktuellen Entscheidung vom Dezember vergangenen Jahres, nunmehr veröffentlicht (Aktenzeichen 3 UF 36/21) nicht und ist der Auffassung, dass eine verfestigte Lebensgemeinschaft erst nach drei Jahren anzunehmen sei.

Denn: eine verfestigte Lebensgemeinschaft kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs angenommen werden, wenn objektive Umstände wie ein über einen längeren Zeitraum hinweg geführter gemeinsamer Haushalt, das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit oder die Dauer der Verbindung den Schluss nahelegen, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte sich endgültig aus der ehelichen Solidarität herauslöst. Eine Verfestigung der außerehelichen Beziehung kommt nach einer Dauer von zwei bis drei Jahren in Betracht.

Vorliegend sei, so das OLG zu beachten, dass die Beziehung in besonderer Weise dadurch geprägt sei, dass sie erheblichen Anfeindungen seitens des Antragsgegners ausgesetzt sei. Die Beziehung zu dem neuen Lebensgefährten sei durch übergriffiges Verhalten des Ehemannes regelmäßig belastet. Neben persönlichen Anfeindungen habe der Ehemann in den monatlichen Unterhaltszahlungen Drohbotschaften übermittelt. Es finden sich folgende Formulierungen des Ehemannes in Überweisungsträger: „Ihr zwei sollt dran ersticken“, „Abartig und krank. Irgendwann …“, „Nicht vergessen: Unmoralisch, aber vor allem eine Straftat“ und „Er wird es irgendwann bereuen“.

Diese massiven, das hinnehmbare Maß provokanter Äußerungen in Trennungskonflikten deutlich übersteigenden Anfeindungen haben die Bereitschaft der Ehefrau und ihres neuen Freundes, eine feste Beziehung einzugehen, auf eine harte Probe gestellt und beide zu einer zunächst distanzierten Beziehungsaufnahme bewogen. Angesichts dieser Belastungen für die Beziehung kann hier von einer hinreichenden Verfestigung, die eine dauerhafte Verbindung erwarten lässt, nicht vor Ablauf von drei Jahren ausgegangen werden.

Lehrlingsgehalt nicht zu berücksichtigen

Ausbildung mit 45 Jahren –Kindesunterhalt geht vor

Die Erstausbildung eines 45-jährigen Unterhaltspflichtigen ist gegenüber der Unterhaltspflicht für minderjährige Kinder nicht vorrangig, wenn der Unterhaltspflichtige seit vielen Jahren ungelernte Tätigkeiten ausübt. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg entschieden.

In dem zugrunde liegenden Fall verpflichtete das Familiengericht I. Instanz im August 2021 einen 45-jährigen Vater zweier minderjähriger Kinder zur Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe des Mindestunterhalts. Dagegen richtete sich die Beschwerde des Kindesvaters. Er führte unter anderem an, dass er den Mindestunterhalt nicht zahlen könne, da sein Verdienst wegen seiner Ausbildung nicht höher sein könne als 580 Euro monatlich. Der Kindesvater war seit vielen Jahren als ungelernte Kraft tätig und hatte wenige Monate nach Beginn des gerichtlichen Unterhaltsverfahrens eine Erstausbildung aufgenommen.

Kein Vorrang der Erstausbildung wegen langjähriger Tätigkeit als ungelernte Kraft

Das OLG (Aktenzeichen 7 UF 196/21) stellt nunmehr fest, dass es zwar unterhaltsrechtlich anerkannt sei, dass einer Erstausbildung regelmäßig auch gegenüber der gesteigerten Unterhaltspflicht der Vorrang einzuräumen sei, da diese zum eigenen Lebensbedarf des Unterhaltspflichtigen gehöre. Allerdings gelte etwas anderes, wenn der Unterhaltspflichtige sich in der Vergangenheit stets auf die Ausübung ungelernte Tätigkeiten beschränkt hat, so wie hier. Der Kindesvater könne sich seinen minderjährigen Kindern gegenüber nicht auf sein Recht auf Erstausbildung berufen. Der Kindesvater habe nicht dargelegt, warum er gerade wenige Monate nach Verfahrensbeginn seine Arbeits- und Verdienstchancen durch eine Ausbildung verbessern will. Es drängt sich auf, dass der Vater die Ausbildung begonnen habe, um sein Einkommen zur Vermeidung von Unterhaltsleistungen an die beiden Kinder zu verringern.

Vielmehr berücksichtigt das Gericht bei dem Vater einen realisierbaren Stundenlohn von 10,45 € brutto. Bei einer vollzeitigen Tätigkeit ergibt dies unter Berücksichtigung von einer Berufspauschale und Kosten für Umgänge mit den beiden Kindern ein Nettoeinkommen in Höhe von 1460 €. In Höhe von 300 € sei der Kindesvater dann in der Lage, Unterhalt zu zahlen.

Hinweis

Im Hinblick auf den erhöhten Mindestlohn ab Oktober 2022 ist zu erwarten, dass grundsätzlich alle Unterhaltsberechtigten in der Lage sein werden, zumindest für ein Kind den Mindestunterhalt auch für ältere Kinder in Höhe von dann 423,50 € (3. Altersstufe zwischen 12 und 17 Jahren) zu zahlen.

Lebenslanger Unterhalt nach 36 Ehejahren

Ehefrau erhält bis Rente unbefristet Leistungen von Ehemann

Für welche Dauer muss der besser verdienende Ehepartner an den finanziell schwächeren Partner nach der Scheidung Unterhalt zahlen. Eine pauschale Antwort auf diese Frage gibt es nicht, es kommt immer auf die Umstände des Einzelfalls an, wie auch vorliegend: nach rund 36-jähriger Ehedauer einer Alleinverdienerehe, aus der drei Kinder hervorgegangen sind, die von der fast 60jährigen Ehefrau überwiegend betreut wurden sowie einer krankheitsbedingten Erwerbsunfähigkeit bei der Frau kommt eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des Unterhalts nicht in Betracht.

Klassisches Rollenmodell

Die geschiedenen Eheleute streiten um Ehegattenunterhalt. Sie haben im Jahr 1983 die Ehe geschlossen und leben seit dem Jahr 2016 voneinander getrennt. Die Ehe, aus der drei, zwischenzeitlich volljährige Kinder hervorgegangen sind, wurde im Jahr 2019 geschieden. Es handelte sich um eine sogenannte „Alleinverdienerehe“, das heißt, die im Jahr 1960 geborene Ehefrau hatte während der Ehezeit nicht gearbeitet, sondern sich maßgeblich um die Kindererziehung gekümmert. Sie erzielt keine eigenen Einkünfte. Zwar hat sie in Kasachstan eine Ausbildung zur Postbotin absolviert, diesen Beruf indes nie ausgeübt. Zwei Gutachten bestätigen deren krankheitsbedingte Erwerbsunfähigkeit.

Das Amtsgericht Frankenthal hat in einer rechtskräftigen Entscheidung vom April 2021 (Aktenzeichen 71 F214/19) entschieden, dass die Ehefrau vom Ehemann Unterhalt in Form des Elementarunterhalts wegen Krankheit sowie in Form des Krankenvorsorgeunterhalts verlangen kann, immerhin in Höhe von 800 Euro monatlich. Denn ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Unterhalt verlangen, solange und soweit von ihm vom Zeitpunkt der Scheidung an wegen Krankheit oder anderer Gebrechen oder Schwächen seiner körperlichen oder geistigen Kräfte eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Die Krankheit braucht nicht „ehebedingt“ zu sein.

Keine Befristung oder Herabsetzung

Aufgrund der fehlenden eigenen Einkünfte sowie einer fehlenden Berufsperspektive aufgrund einer über 30-jährigen Abwesenheit vom Arbeitsmarkt, die der Ehemann toleriert hat, kommt nunmehr bis zum Eintritt in die Rente mit 67 eine Herabsetzung des Unterhaltsbetrages auf einen geringeren Betrag oder gar eine Befristung, also eine zeitliche Beschränkung für die Dauer von drei oder vier Jahren nicht in Betracht. Die ehelichen Lebensverhältnisse haben die aktuelle Situation geprägt, im Zuge der nachehelichen Solidarität ist der geschiedene Ehemann verpflichtet, seiner Ehefrau bis zu deren Eintritt in die Rente Unterhalt zu zahlen.

Mit Rentenbezug und der entsprechenden Regelung zum Versorgungsausgleich wird dann nachehelicher Unterhalt voraussichtlich entfallen, da sich die Ehefrau von ihrer Rente selbst unterhalten kann.

Neuer Freund – kein Ehegattenunterhalt

Verwirkung bei achtjähriger Beziehung während der Ehezeit

Im Rahmen der ehelichen Solidarität ist bei bestehender Ehe eine wechselseitige Verpflichtung anzunehmen, dem anderen Ehepartner Auskunft über die eigene Einkommenssituation zu erteilen. Aber: eine Auskunftsverpflichtung besteht dann nicht, wenn feststeht, dass die begehrte Auskunft den Unterhaltsanspruch oder die Unterhaltsverpflichtung unter keinem Gesichtspunkt beeinflussen kann.

Zehn Jahre nichteheliche Affäre

Die Beteiligten sind getrennt lebende Eheleute. Die Ehefrau lebte nach der Trennung zwischen 2009 und 2020 in einer festen Beziehung und machte keinen Trennungsunterhalt geltend. Ein Scheidungsverfahren fand nicht statt.

Nach Scheitern der neuen Beziehung forderte sie ihren Ehemann erstmalig 2020 zur Zahlung von Trennungsunterhalt auf und verlangte in diesem Zusammenhang Auskunftserteilung über seine Einkommensverhältnisse. Der Ehemann verweigerte die Auskunft mit dem Argument, Unterhaltsforderungen seien verwirkt. Zehn Jahre außerehelicher Kontakt würden deutlich machen, dass die Frau in anderer, verfestigter Beziehung lebe, so das Oberlandesgericht Brandenburg in einer aktuellen Entscheidung, die vor wenigen Wochen veröffentlicht wurde (Aktenzeichen 9 WF 249/20).

Vorliegend ist unter keinem realistisch denkbaren Fall ein Unterhaltsanspruch gegeben, da dieser endgültig verwirkt ist. Das Ergebnis einer zu erteilenden Auskunft kann diese Bewertung daher nicht – jedenfalls nicht unter Beachtung realistischer Erwartungen – beeinflussen.

Zunächst bestehen keine Bedenken, dass nach der Trennung der Beteiligten in 2009 eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs eingesetzt hat. Unstreitig haben sich beide Beteiligten im Anschluss an ihre Trennung – die Ehefrau jedenfalls noch in 2009 – einer neuen, verfestigten Lebenspartnerschaft zugewandt und offenbar erst in 2020 aufgegeben. Damit ist – so man für die notwendige Verfestigung eine Zeitdauer von etwa 2 bis 3 Jahren ansetzt – jedenfalls über bis zu zehn Jahren hinweg eine Verwirkung des Unterhaltsanspruches festzustellen.

Verwirkung bleibt Verwirkung

Entscheidend ist: mit Beendigung dieser Lebensgemeinschaft in 2020 lebte der verwirkte Unterhaltsanspruch nicht mehr auf.

Zwar ist es grundsätzlich möglich, dass ein einmal beschränkter Unterhaltsanspruch nach Fortfall des Härtegrundes wiederauflebt. Bei der dafür gebotenen umfassenden Prüfung ist aber besonders zu berücksichtigen, wie lange der Verwirkungstatbestand angedauert hat und ob Schutzinteressen gemeinsamer Kindern ein Wiederaufleben eines Betreuungsunterhaltsanspruches in Betracht zu ziehen sein. Beide Beteiligten haben sich komplett wirtschaftlich verselbstständigt. Die Ehefrau ist zudem selbstständig tätig und verfügt über Grundvermögen.

Erst Kindesunterhalt, dann BAföG

Mutter muss Meister-Bafög stunden, um Kindesunterhalt zu leisten

Unterhaltsforderungen sind nach der Rechtsprechung vor anderen Schulden nicht vorrangig. Auch für Ansprüche minderjähriger Kinder ist der Unterhaltsschuldner grundsätzlich nicht verpflichtet, aufgrund von Unterhaltszahlungen immer tiefer im Schulden zu geraten. Aber: Verbindlichkeiten dürfen nur unter Berücksichtigung der Interessen der Unterhaltsberechtigten getilgt werden.

Dies gilt auch für Rückzahlungen eines Darlehens zur Berufsförderung (BAföG). Die Kindesmutter ist vom Kindesvater geschieden, der 12-jährige Sohn lebt beim Vater und macht Mindestunterhaltsansprüche nach der Düsseldorfer Tabelle gegen die Kindesmutter geltend. Die Mutter ist gelernte Friseurin und geht einer Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 32 Stunden wöchentlich nach. Sie erzielt hieraus ein Nettoeinkommen in Höhe von rund 1200 €. Der Selbstbehalt, also der Eigenbetrag des Unterhaltsschuldners für Wohnung, Kleidung Lebensmittel und Freizeitgestaltung, liegt bei 1160 €. Die Kindesmutter musste Schulden zurückführen, darunter unter anderem ein Darlehen für ein Meister-BAföG, dass der Kindesmutter im Rahmen einer Weiterbildung zur Friseurmeisterin gewährt wurde. Die Mutter verlangt, diese Verbindlichkeiten zu berücksichtigen mit dem Ergebnis, dass sie weniger Kindesunterhalt zahlen muss, jedenfalls in Höhe der monatlichen BAföG-Raten in Höhe von knapp 130 €.

Keine Berücksichtigung des BAföG-Darlehens

Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz hat in einer aktuellen Entscheidung (Aktenzeichen 7 UF 361/19) beschlossen, dass die BAföG-Raten nicht zu berücksichtigen sind. Der Kindesmutter sei es aufgrund einer Regelung im Berufsausbildungsförderungsgesetz möglich, einen Antrag sowie entsprechende Folgeanträge auf Stundung ihrer Darlehensverpflichtung zu stellen. Hierzu sei sie, so das OLG, aufgrund ihrer gegenüber dem minderjährigen Sohn gesteigerten Unterhaltspflicht verpflichtet gewesen. Dies gelte umso mehr, als die Kindesmutter noch keine ihrer Meisterausbildung entsprechend besser bezahlte Beschäftigung aufgenommen habe. Im Ergebnis wirke sich daher das BAföG Darlehen nicht auf die Leistungsfähigkeit der Kindesmutter aus.

Mindestunterhalt geht vor

Die Diskussion um Berücksichtigung von Schulden betrifft zahlreiche Fälle. Da minderjährige Kinder, wie im vorliegenden Falle, schon wegen ihres Alters und ihrer schulischen Verpflichtung zu ihrem Unterhalt nicht durch eigene Anstrengung beitragen können, führt eine Interessenabwägung in der Regel dazu, dass der unterhaltsverpflichtete Elternteil seinem minderjährigen Kind wenigstens den Mindestunterhalt zu zahlen hat. Diese Zahlbeträge belaufen sich nach der aktuellen Düsseldorfer Tabelle auf 267 € für Kinder im Alter bis zu 5 Jahren, auf 342 € (6 bis 11 Jahre) und auf 395 € (12 bis 17 Jahre).

Unterhalt in Zeiten von Corona

Corona macht nicht nur gesundheitliche Sorgen, sondern auch finanzielle. Selbständige, die von heute auf morgen ihren Betrieb schließen müssen und nicht wissen, ob das Infektionsschutzgesetz für sie Entschädigungen vorhält; Arbeitnehmer, die in Kurzarbeit geschickt werden und nur noch 67 % Lohn bekommen – es herrscht in vielen Familien spontan Existenzangst. 

Was aber, wenn die Familie nicht zusammenrückt, weil sie getrennt lebt?
Und was, wenn ein Teil der Familie wirtschaftlich vom anderen abhängt – sprich Unterhalt bezahlt oder erhält?

Erste Frage: Gibt es einen Unterhaltstitel?

„Tituliert“ bedeutet, dass der Unterhaltspflichtige beim Jugendamt oder Notar freiwillig erklärt hat, in welcher Höhe er Unterhalt schuldet (Verpflichtungsurkunde), oder dass in einem Gerichtsverfahren ein Unterhaltsbetrag festgesetzt wurde.

Liegt ein Titel vor, droht bei Nichtzahlung sofort die Zwangsvollstreckung z.B. durch Kontenpfändung.    
Außerdem laufen durch Nichtzahlung die Rückstände zu Schulden auf.
Es ist also dann keine gute Idee, einfach die Zahlungen einzustellen, zumal die Corona-Periode nicht auf Dauer anhält.

Nur wer ohne Titel – also sozusagen freiwillig – zahlt, kann überhaupt einseitig kürzen.

Dass er dies mit dem Anderen kommunizieren sollte, ist ein Gebot der Fairness, denn dort können ggf. öffentliche Sozialleistungen beantragt werden, um die Lücke zu füllen.


Liegt also ein Titel vor, wären die richtigen Maßnahmen:

Aus Sicht des Unterhaltspflichtigen, der weniger zahlen möchte:

a)    Man einigt sich mit dem Unterhaltsberechtigten auf eine Kürzung, Stundung, zeitweiligen Verzicht der Vollstreckung, Ratenzahlung.

Achtung: Die Beteiligten eines gerichtlichen Vergleichs können diesen außergerichtlich zwar als materiell-rechtlichen Vertrag ändern, aber nicht als Vollstreckungstitel. Auch eine Jugendamtsurkunde kann z.B. nicht durch eine spätere Jugendamtsurkunde abgeändert werden. Wenn beide Seiten sich inhaltlich einig sind, kann aber außergerichtlich vereinbart werden, dass der Gläubiger auf die Rechte aus dem früheren Titel verzichtet, und ein neuer Titel mit anderem Inhalt errichtet wird.    

b)    Man beantragt die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung bei Gericht.

c)    Man verbindet letzteres zeitgleich mit einem Abänderungsbegehren nach dem Familiengesetz FamFG.

Sowohl betreffend die Entscheidung hierüber als auch betreffend die vollstreckungsgerichtliche Unterstützung auf Gläubigerseite herrscht allerdings heute völlige Unklarheit, ob die Gerichte diese Verfahren zeitnah betreiben können.

Anders lässt sich aber keinesfalls eine Überzahlung zurückfordern.

Einfacher aus Sicht des Unterhaltsberechtigten, der wegen Einkommenseinbuße mehr Unterhalt benötigt:

Hier genügt eine außergerichtliche Inverzugsetzung.


Materiellrechtliche Abänderungsvoraussetzungen

Neben dieser formalen Frage ist zu prüfen, ob inhaltlich (materiellrechtlich) überhaupt eine Abänderung möglich ist.

a)    Beim Kindesunterhalt sehen die Einkommensgruppen Spannen von 400 € netto vor. Wer in Kurzarbeit geht, bekommt zwar nur 67% seines Nettoeinkommens, jedoch fallen auch berufsbedingte Aufwendungen wie Fahrtkosten weg. Ggf. führt die Kurzarbeit also gar nicht dazu, dass eine andere Einkommensgruppe zutrifft.

b)    Beim Kindesunterhalt für minderjährige Kinder gibt es den sogenannten  Mindestunterhalt: es besteht eine „gesteigerte Erwerbsobliegenheit“ mit dem Ziel, dass der Mindestunterhalt zu den aktuellen Zahlbeträgen von 267 € für ein Kind bis zu 5 Jahren, von 322 € von Kindern im Alter von 6-11 Jahren und in Höhe von 395 € im Alter von 12-17 Jahren zu zahlen ist. 

Aktuell haben wir keine „normalen Zeiten“. Dennoch bleibt: wer weniger als den Mindestunterhalt zahlen will, muss dazu vortragen, warum er unverschuldet nicht einmal mehr als den Selbstbehalt in Höhe von aktuell 1160 € verdienen kann. Zu prüfen wäre z.B., ob spontane Einsätze als Erntehelfer oder als Lagerist im Lebensmittelhandel möglich und zumutbar sind, denn in diesen Branchen herrscht gerade (Corona-bedingt) Arbeitskräfte-Mangel.

c)    Beim Unterhalt, der für getrennt lebende oder geschiedene Ehegatten zu zahlen ist, besteht keine „gesteigerte“ Erwerbsobliegenheit wie beim Minderjährigenunterhalt.,

Jeder verdiente Einkommensbetrag wird im Zuge einer Unterhaltsquote sowohl auf Seiten des Berechtigten als auf Seiten des Verpflichteten berücksichtigt.

Außerdem kann auch der Unterhaltsberechtigte von Corona-Einbußen betroffen sein und dadurch höheren Anspruch als zuvor haben. Besondere Bedeutung bekommen  Einkommensausfälle wegen der Betreuung von gemeinsamen Kindern, die sonst fremdbetreut waren, aber deren Einrichtungen geschlossen sind.


Wesentlichkeitsschwelle  und Nachhaltigkeit der Veränderung

Für das akute Thema „Corona“ relevant ist die Frage der Dauer. Es kann heute niemand absehen, für welchen Zeitraum die Pandemie-Einschränkungen der Arbeitswelt herrschen.
Um einen Unterhaltstitel wegen veränderter Umstände abändern zu können, muss die wesentliche Veränderung aber nachhaltig sein.

Angenommen, nach zwei Monaten würde eine normale Situation vorherrschen und dann vielleicht sogar bezahlte Überstunden geleistet werden, um rückständige Arbeit abzubauen – wohl ein Fall ohne Abänderungsmöglichkeit.


Korrektur der Prognose

Eine „monatsweise“ Betrachtung wie z.B. bei öffentlichen Leistungen nach den Sozialgesetzbüchern scheidet im Familienrecht üblicherweise aus. Immer wird Unterhalt prognostiziert anhand von Erkenntnissen der Vergangenheit; also geht es um die Frage, ob und wie diese Prognose an die neuen Verhältnisse anzupassen ist.

Der Richter hatte bei der Errichtung des Titels die Aufgabe übernommen, bei seiner Entscheidung über den Anspruch neben den vorliegenden und den zuverlässig zu erwartenden Umständen vorausschauend auch die Entwicklung der Verhältnisse zu berücksichtigen.
Denkbare Abweichungen der Realität von dieser Prognose und damit auch nicht nur kurzfristige Ungerechtigkeiten nimmt das Gesetz hin, wie man z.B. an § 1605 BGB sieht, wonach üblicherweise zwei Jahre gewartet werden muss, bis wieder eine Anpassung an gestiegenes Einkommen des Unterhaltspflichtigen erfolgen kann.

Prognostiziert wird in der Regel ein „Jahreseinkommen“, aus dessen Zwölftel dann die Leistungsfähigkeit berechnet wird.


Die Prognose gilt als richtig und bleibt ein gültiger Vollstreckungstitel, auch wenn sich die Verhältnisse anders entwickeln – bis eine förmliche Abänderung begehrt wird.
Unklar bleibt, wie stark kurz-, mittel- oder gar langfristige Einbußen sind und wie das Jahreseinkommen 2020 aussehen wird? Denkbar ist auch, dass sich Betriebe von der „Social-Distancing“-Phase gar nicht mehr erholen.

Fazit

Wer sich mit dem Unterhaltsgläubiger nicht irgendwie einigt, muss den richtigen Augenblick erkennen, in dem er von einer wesentlichen und nachhaltigen Einkommensreduzierung ausgeht, und dann unverzüglich (anwaltlich vertreten!) nach dem Familiengesetz vorgehen.

Mit Anhängigkeit (Antragseingang bei Gericht) dieses Antrages können die weiteren Zahlungen als Darlehen oder „unter Vorbehalt“ deklariert und später zurückgefordert werden – allerdings nicht für Zeiträume, die vor dem Abänderungsantrag liegen.

Vereinfachter Quotenunterhalt bei hohem Ehe-Einkommen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat erneut eine Entscheidung getroffen, die es bei besonders guten Einkommensverhältnissen ermöglicht, den Unterhalt einfacher zu ermitteln. Bei der Berechnung des Unterhalts für die Zeit der Trennung (Trennungsunterhalt) und auch für die Zeit nach der Scheidung (nachehelicher Unterhalt) kann der Unterhaltsberechtigte (meistens die Ehefrau) bis zu einem Familieneinkommen von immerhin 11.000 € monatlich den Unterhalt nach einer sogenannten Quote (3/7 des bereinigten Einkommens) geltend machen. Konkret heißt dies, dass bis zu einem Betrag in Höhe von rund 4700 € Unterhalt geltend gemacht werden kann, selbst wenn die Berechtigte nichts zur konkreten Verwendung des Familieneinkommens vortragen kann.

Bisher galt diese vereinfachte Unterhaltsberechnung nach einer Quote zu Einkommensdifferenz nur bei niedrigeren Einkommen.

Die unterhaltsberechtigte Ehefrau muss also konkrete Angaben und Belege zu Wellness-Wochenenden, Reiturlauben, Fernreisen, täglichen Restaurant besuchen oder Ausgaben für Kleidung erst dann machen, wenn sie einen höheren Unterhalt als 4700 €, also 3/7 von 11.000 €, beansprucht.

Mit dieser Entscheidung vom 25. September 2019 (Aktenzeichen XII ZB 25/19) hat der BGH über Unterhaltsansprüche der Ehefrau eines VW-Managers entschieden. Dieser erzielte im Jahr 2018 ein Bruttoeinkommen in Höhe von knapp 300.000 € zuzüglich der Nutzungsvorteile für zwei Dienstwagen. Bei Lohnsteuerklasse I und 1,5 Kinderfreibeträgen ermittelte das Oberlandesgericht Celle in der Vorinstanz ein Jahresnettoeinkommen in Höhe von immerhin 184.803 €, monatlich daher 15.400 €. Für die beiden Dienstwagen wurden unter Berücksichtigung der sogenannten ein Prozent-Regelung 830 € monatlich hinzugerechnet.

Die Ehefrau arbeitete für 10,50 € brutto pro Stunde in einer Schulmensa, dies ergibt bei vorzeitiger Tätigkeit ein Nettoeinkommen in Höhe von 1291 € monatlich abzüglich der Berufspauschale verbleiben dann noch rund 1226 € netto auf Seiten der Ehefrau. 

Bei einem vom Bundesgerichtshof angenommenen Nettogehalt des Ehemannes in Höhe von gut 15.400 € zuzüglich 830 € für die Dienstwagennutzung, insgesamt also rund 16. 200 €, war es aus Sicht des Bundesgerichtshofs  ausreichend, dass die unterhaltsberechtigte Ehefrau ihren Anspruch auf Unterhalt allein nach einer Quote geltend macht, vorliegend daher 4200 €.

Erst wenn ein noch höherer Unterhalt geltend gemacht wird, ist konkret darzulegen, wofür das Geld benötigt wurde und inwieweit es die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat. Der Bundesgerichtshof hebt hervor, dass angesichts gestiegener Lebenshaltungskosten und insbesondere in Ballungsräumen erheblich gestiegener Wohnkosten selbst das Doppelte der höchsten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle (11.000 €) einen Einkommensbereich darstellt, bei dem unterstellt werden kann, dass dieses Einkommen im wesentlichen vollständig für die laufende Lebenshaltung verbraucht wird und deshalb keine über die Finanzierung des Familienheims und die übliche altersvorsorgehinausgehende Vermögensbildung betrieben wird.

Autor ist Rechtsanwalt Henning Gralle, Rechtsanwalt, zugleich Fachanwalt für Familienrecht