Besuchsverbot nach Gewalt

FAMILIENRECHT – Mehr als zwei Jahre keinen Umgang

Das Umgangsrecht eines Elternteils steht unter dem Schutz des Grundgesetzes und soll dem umgangsberechtigten Elternteil ermöglichen, sich von dem körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung fortlaufend persönlich zu überzeugen, die verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihm aufrecht zu erhalten, einer Entfremdung vorzubeugen und dem Liebesbedürfnis beider Rechnung zu tragen. Der Umgang darf nur solange ausgeschlossen werden, wie der Ausschluss notwendig ist, um einer Kindeswohlgefährdung zu begegnen.

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt (Aktenzeichen 1 UF 242/21) hat in einer aktuellen Entscheidung beschlossen, den Umgang des Vaters mit seinen 13 und 16 Jahre alten Töchtern für zweieinhalb Jahre zu untersagen.

Gewalt gegenüber Kindern und Mutter

Die Kinder haben bei ihren Anhörungen vor dem Familiengericht und auch in Gesprächen mit der Verfahrensbeiständin nachvollziehbar, kongruent und überzeugen berichtet, vom Vater an allen Stellen des Körpers geschlagen worden zu sein. Das OLG glaubt den konsistent in allen Verfahren wiederholten und gegenüber allen Verfahrensbeteiligten geschilderten und detailreichen Berichten der Kinder. Seine Entscheidung begründet das Gericht mit den wiederholt stattgefundenen Gewalttätigkeiten sowohl gegenüber der Mutter als auch den Kindern sowie dem bei der gerichtlichen Anhörung eindeutig geäußerten Willen der Kinder.

Ein gegen den Willen der bei Mädchen erzwungener Umgang stellt derzeit eine erhebliche und konkrete Gefährdung des Kindeswohls darstellt. Die Gefährdung ergibt sich nach Überzeugung des Senats daraus, dass sie selbst Opfer von Gewalttätigkeiten durch den Vater wurden und daraus, dass sie Gewalt des Vaters gegenüber der Mutter miterlebt haben.

Das Familiengericht hat das Besuchsverbot für gut zwei Jahre befristet. Dann muss unter Berücksichtigung des fortgeschrittenen Alters der beiden Mädchen erneut geprüft werden, ob die Gefahrenlage neu zu bewerten sei.

Passfoto an den Vater zu übermitteln

Elternrecht geht dem Recht am eigenen Bild vor

Der Vater hat seit Jahren keinen Kontakt zu seiner 17-jährigen Tochter. Es findet kein Umgang statt, die Mutter ist allein sorgeberechtigt. Der Vater begehrt Auskunft über die persönlichen Verhältnisse und hier insbesondere neben der Vorlage ihrer letzten Zeugnisse und des Berufsausbildungsvertrags auch ein aktuelles Passfoto. Zu Recht, wie das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg in einer aktuellen Entscheidung feststellt.

Die Familienrichter sind der Auffassung, dass jeder Elternteil bei berechtigtem Interesse von dem anderen Elternteil Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes verlangen könne, soweit dies dem Kindeswohl nicht widerspreche. Es solle dadurch jedem Elternteil – unabhängig von der elterlichen Sorge – ermöglicht werden, Informationen zu den persönlichen Verhältnissen des Kindes zu erhalten, an die er sonst nicht in zumutbarer Weise gelangen könne.

Elternrecht ausgeprägt

Zum Inhalt der geschuldeten Auskunft gehöre nach herrschender Meinung auch die Überlassung einer Fotografie. Im konkreten Fall sei ein „berechtigtes Interesse“ des Antragstellers diesbezüglich zweifelsfrei gegeben, da er seit mehreren Jahren keinen persönlichen Umgang Tochter mehr habe und daher für ihn erkennbar keine andere Möglichkeit bestehe, sich über ihre Entwicklung zu informieren.

Die Rücksichtnahme auf das Persönlichkeitsrecht der Tochter könne nicht dazu führen, das Auskunftsrecht abzulehnen. Auch der entgegenstehende Wille der Tochter führe zu keinem anderen Ergebnis, da das Elternrecht aus Artikel 6 Grundgesetz dem Recht des minderjährigen Kindes am eigenen Bild aus Artikel 2 Grundgesetz vorgehe. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass sich der Auskunftsanspruch nicht gegen das Kind richte, sondern gegen den anderen Elternteil. Zudem tangiere die Überlassung eines Passfotos oder der Zeugnisse nicht die Privat- oder Intimsphäre des Kindes.

Foto soll informieren

Die Vorlage eines Fotos dient dazu, den Vater über das Aussehen des Kindes zu informieren (OLG Bamberg, Aktenzeichen 7 UF 52/22). Das BGB gewährt dem nicht persönlich betreuenden Vater einen sein Kind betreffenden Informationsanspruch, um sich über dessen Befinden und Entwicklung in angemessener Form in Kenntnis zu setzen.

Das berechtigte Interesse an der Auskunft ist zu bejahen, wenn der jeweilige Elternteil keine andere zumutbare Möglichkeit hat, sich über die Entwicklung des Kindes zu informieren. Historischer Zweck des Auskunftsanspruchs ist es, einem Elternteil (hier dem Vater), der das Umgangsrecht nicht ausüben kann, die Möglichkeit zu geben, sich fortlaufend vom Wohlergehen und der Entwicklung seiner Tochter zu überzeugen. Dazu dient die Vorlage des Passfotos, der jüngsten Zeugnisse sowie des Vertrages zur Berufsausbildung.

Kein Umgang trotz vieljähriger Kontakte zum Kind

Einem Ex-Partner, der nicht der leibliche Elternteil des Kindes ist, steht trotz sozial-familiärer Beziehung kein Umgangsrecht zu, wenn das Kind wegen der vehementen Ablehnung des Umgangs durch das leibliche Elternteil in einem Loyalitätskonflikt ist. In diesem Fall dient der Umgang nicht dem Kindeswohl. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe vor wenigen Wochen entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Rahmen einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft wurden im Wege der künstlichen Befruchtung zwei Kinder gezeugt und von einer der Partnerinnen ausgetragen und geboren. Die andere Partnerin hat eine Adoption nicht durchgeführt, rechtliche Regelungen wurden nicht getroffen.

Intensive Kontakte zu den Kindern

Vom Beginn der Beziehung im Sommer 2012 bis zur Trennung des Paares im August 2021 übernahm die andere Partnerin in erheblichem Umfang die Versorgung, Betreuung und Erziehung der Kinder, inzwischen acht und sieben Jahre alt. Die Partnerin, die nunmehr Umgang begehrt, war bei beiden Geburten zugegen und nahm jeweils einen Monat Elternzeit nach den Geburten. Die Versorgung der Kinder, das Wickeln, Anziehen, Baden, Füttern, Spielen und Vorlesen wurde von beiden Eltern übernommen. Dies galt auch für Arzttermine sowie Besprechungen in der Tagesstätte und im Kindergarten. Auch im Bereich der Freizeitgestaltung wie zum Beispiel der Begleitung zum Kinderturnen und bei Ausflügen teilten sich die Eltern die Betreuungsaufgaben.

Das leibliche Elternteil verweigerte einige Monate nach der Trennung jeglichen Umgang mit der Ex-Partnerin. Hintergrund dessen war die fehlende Aufarbeitung der Trennungsgründe. Die Ex-Partnerin war mit dem Umgangsausschluss nicht einverstanden und beantragte im Eilverfahren die Gewährung von zumindest begleitetem Umgang. Zu Unrecht, so das OLG (Aktenzeichen 18 UF 22/22)

Loyalitätskonflikt bei Kindern

Ein Recht auf Umgang bestehe nicht, da ein solcher nicht dem Wohl der Kinder dienen würde. Zwar bestehe zwischen der Ex-Partnerin und den Kindern eine soziale-familiäre Beziehung, da sie als enge Bezugsperson anzusehen sei. Jedoch könne angesichts der nicht aufgearbeiteten Trennung, der Konflikte auf der Paarebene, der strikten Ablehnung jeglichen Umgangs durch das leibliche Elternteil und des für die Kinder daraus resultierenden Loyalitätskonfliktes keine Umgangskontakte stattfinden, welche die Kinder nicht erheblich beeinträchtigen würde. Es sei zu erwarten, dass der Loyalitätskonflikt im Falle der Anordnung von Umgangskontakten durch die Kinder nicht aufgearbeitet, sondern sich durch die tatsächliche Umsetzung erzwungener Umgangskontakte weiter verschärfen würde.

Auch die Anordnung einer Umgangspflegschaft beinhaltet die Gefahr, dass Kontakte der Kinder zum Expartner nicht deren Wohl dienten.

Beim Umgangswochenende dürfen beide Eltern das Kind zum Sport begleiten

Beim Basketball sind Vater und Mutter dabei

Wie gestalten sich die Besuchskontakte bei der Mutter konkret, wenn auch der Vater am Wochenende zu bestimmten Ereignissen immer wieder präsent ist?

In einem konkreten Fall aus Karlsruhe war die 12-jährige Tochter der Eltern eine begeisterte Basketball-Spielerin. Sie lebte nach der Trennung der Eltern beim Vater, die Wochenenden verbrachte sie häufig bei der Kindesmutter einschließlich der öffentlichen Basketball-Punktspiele.

Nur „keinen Stress“

Der Kindesvater nahm an diesen Punktspielen ebenfalls teil, um seiner Tochter zuzuschauen. Die Tochter erklärte im Verfahren vor dem Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe (Aktenzeichen 2UF181/20), dass es ihr eigentlich egal sei, wer bei den Spielen ist; wichtig sei ihr nur, dass es „keinen Stress“ gebe. Es sei für sie auch okay, wenn nur die Mutter sie während ihres Umgangs alleine am Wochenende zu einem Spiel begleite und der Vater nicht dabei sei. Aber sie könne verstehen, dass bei besonderen und wichtigen Spielen beide Elternteile dabei sein wollten. Eine Teilnahme beider Eltern würde sie, die Tochter, jedenfalls nicht belasten.

Das OLG hat festgestellt, dass die Kindesmutter keinen Anspruch darauf habe, den Kindesvater und geschiedenen Ehemann von der Teilnahme an Basketballspielen der gemeinsamen Tochter auszuschließen. Jedenfalls gelte dies, solange die Basketballspiele als öffentliche Veranstaltung einzustufen seien.

Öffentliche Veranstaltung

Richtig, so die Familienrichter, sei, dass der betreuende Elternteil – hier die Mutter – für ihre Umgangszeit darauf bestehen könne, dass der andere Elternteil nicht anwesend sei. Die Teilnahme an einer öffentlichen Veranstaltung sei jedoch auch bei getrennt lebenden Elternteilen dem betreuenden und dem umgangsberechtigten Elternteil parallel möglich. Ein Teilnahmeverbot sei nur dann denkbar, wenn eine Kindeswohlgefährdung denkbar sei. Hierfür gebe es hier keine Anhaltspunkte, der Tochter sei sogar recht, wenn der Vater anwesend sei.

Fazit

Mit Ausnahme von öffentlichen Anlässen, hier eine Sportveranstaltung, verbleibt es jedoch dabei, dass im Rahmen der wechselseitigen Loyalitätsverpflichtung der Eltern der andere sich während der Umgangszeiten von Kontakten mit dem Kind zu enthalten hat. Gerade der überwiegend betreuende Elternteil sollte die Besuchszeiten des Kindes beim anderen Elternteil akzeptieren und nicht kontrollieren.

Großeltern dürfen ihre Enkelkinder nicht treffen – Umgang muss für die Entwicklung des Kindes dienlich sein

Das Gesetz ist eindeutig: Großeltern dürfen ihre Enkelkinder besuchen, wenn dies dem Wohl der Kinder dient. Wann der Umgang von Oma und Opa mit den Enkelkindern gut für das Kind ist, müssen häufig die Familiengerichte klären.

Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg hat mit aktuellem Beschluss vom 17. Dezember 2021 (Aktenzeichen 9 UF 188/21) den Kontakt untersagt.

Erziehungsvorbehalte

Die beiden Enkelkinder im Alter von sechs und neun Jahren leben beim allein sorgeberechtigten Schwiegersohn, die eigene Tochter ist wegen psychischer Probleme nicht erziehungsfähig. Zwischen dem Schwiegersohn und den Großeltern bestanden fortgesetzt Konflikte, die Großeltern hegten erhebliche Vorbehalte gegenüber dem Vater als einen pflichtbewussten Vater. Sogar beim Jugendamt hatten sie wegen vermeintlicher Kindeswohlgefährdungen vorgesprochen und dem Vater, ihrem Schwiegersohn, aggressives Verhalten mit daraus folgendem auffälligen Verhalten seitens der beiden Kinder vorgeworfen. Das OLG setzt die Rechtsprechung, die sich während der vergangenen Jahre verfestigt hat, fort und macht deutlich, dass der Umgang der Großeltern mit den Kinder regelmäßig nicht deren Wohl diene, wenn die Eltern und die Großeltern so zerstritten sind, dass das Kind bei einem Umgang in einen Loyalitätskonflikt geriete. Der Erziehungsvorrang ist von Verfassungswegen den Eltern zugewiesen. Missachten die Großeltern diesen, lässt dies ein Umgangsrecht als nicht kindeswohldienlich erscheinen. Das Umgangsrecht der Großeltern hängt daher davon ab, dass die Großeltern den grundsätzlichen Erziehungsvorrang des sorgeberechtigten Elternteils akzeptieren. Bereits wenn zu befürchten ist, dass die Großeltern diesen Erziehungsvorrang missachten, lässt dies ihren Umgang mit dem Kind ebenfalls als nicht kindeswohldienlich erscheinen.

Vorhandene Bindungen

Anders als im Falle der Kindeseltern, denen im Grundsatz stets ein Umgangsrecht mit ihrem Kind zusteht, bestehen Umgangsrechte der Großeltern nur unter einschränkenden Voraussetzungen. Es muss feststehen, dass der Umgang für die Entwicklung des Kindes und sein Wohl unter Berücksichtigung der gesamten Lebenssituation des Kindes, aller seelischen, körperlichen und erzieherischen Aspekte sowie seiner vorhandenen Bindungen an den Umgang verlangende Personen dienlich ist.

Das OLG Brandenburg hat im konkreten Fall festgestellt, dass die Großeltern das alleinige väterliche Sorgerecht und den Erziehungsvorrang des Vaters nicht akzeptieren werden. Weder lassen die Großeltern erkennen, dass das Verhältnis zwischen den Kindeseltern schwierig ist, noch würden sie die bestehende Rechtslage akzeptieren. Es verbleibe daher dabei, dass die beiden Kinder ihre Großeltern, jedenfalls vorläufig, nicht sehen, so das OLG.

Ergebnis

Es ist besuchswilligen Großeltern zu empfehlen, mit den eigenen Kindern zu kooperieren. Gerichtliche Umgangsverfahren haben erst dann Aussicht auf Erfolg, wenn zwischen Großeltern und Enkelkindern bereits eine Bindung besteht und diese nicht erst durch gerichtlich geltend gemachte Besuchskontakte aufgebaut werden soll.

Kleinkind und Hunde – kontrollierter Umgang

FAMILIENRECHT Wohl des kleinen Sohnes muss vom Vater beachtet werden

Im Streit um ein Umgangsrecht hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe beschlossen, dass ein Vater sein noch nicht zwei Jahre altes Kind in Gegenwart eines oder mehrerer Hunde nicht unbeaufsichtigt lassen darf. Die grundsätzliche Abwesenheit der Hunde sei beim Umgangskontakt jedoch nicht erforderlich, wie das OLG in einer am Donnerstag veröffentlichten Entscheidung beschloss (Beschluss vom 27.10.2020, Aktenzeichen. 1 UF 170/20).

Mutter hat Angst um Gesundheit

Die Eltern sind gemeinsam sorgeberechtigt. Ein Vater hatte eine Umgangsregelung mit dem Kind mit Übernachtungen am Wochenende begehrt. Gerichtsangaben zufolge lebt der Mann mit seiner neuen Lebensgefährtin und insgesamt sieben Hunden, darunter fünf Huskys und einem Labrador, zusammen und betreibt Schlittensport. Die Mutter verweigerte den Umgang jedoch. Es müsse gewährleistet sein, dass das Kind nicht mit mehr als zwei Hunden in Kontakt komme und die anderen in dieser Zeit in einem Zwinger gehalten würden. Das Familiengericht sah das ähnlich wie die Mutter und gestattete die Kontakte nur in Abwesenheit der Hunde.

Vater muss Aufsicht garantieren

Die Beschwerde des Vaters hatte Erfolg. Den Bedenken der Mutter könne auch auf andere Weise Rechnung getragen werden, so das Gericht. So habe der Vater sicherzustellen, „dass das Kind während der Umgangskontakte in Gegenwart von einem oder mehreren im Haushalt lebenden Hund(en) nicht unbeaufsichtigt sein wird.“ Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung seien ebenso wenig ersichtlich wie eine Verletzung der Elternverantwortung des Vaters.

Die Hunderassen seien eher als „menschenfreundlich, sozial und sanftmütig“ bekannt. Da der Vater und seine Lebensgefährtin sich dem Hundesport zugewendet hätten, sei von einem regelmäßigen Training und Grundgehorsam auszugehen. Gleichwohl sei hier, so das OLG, die Aufsichtsverpflichtung an den Vater „zum Zwecke der Klarstellung und mahnenden Erinnerung zu tenorieren“.

Fazit: Vorschrift zur Umgangsgestaltung

Die gerichtliche Entscheidung umfasst üblicherweise nur Regelungen zur Umgangszeit, der Dauer und der Häufigkeit der Kontakte. Die konkrete Gestaltung des Umgangsablaufs obliegt primär dem Umgangsberechtigten, hier dem Kindesvater. Werden seitens eines Elternteils am Kindeswohl orientiert Sicherheitsbedenken erhoben, die sich auch nicht als rechtsmissbräuchlich darstellen, so ist diesen bei der Ausgestaltung des Umgangs Rechnung zu tragen bzw. sind diese ggf. dann auch in die familiengerichtliche Regelung, wie im Hundefall, aufzunehmen.

Wegen Corona: Kindesmutter darf mit neunjährigen Sohn nicht in die Türkei

Süd-Oldenburg statt Antalya

Die aktuelle Corona-Problematik greift in weite Bereiche des täglichen Lebens ein, so auch in Urlaubsfahrten. Bereits im November 2019 buchte die Kindesmutter eine Reise für die Herbstferien in die Türkei. Mit ihrem fast zehnjährigen Sohn wollte sie in die Touristenregion in Antalya für knapp 14 Tage besuchen. Der ebenfalls sorgeberechtigte Kindesvater war damit nicht einverstanden und der Auffassung, dass in Anbetracht der Unwägbarkeiten mit Corona sein Sohn im Großraum Cloppenburg bleiben sollte. 

Dieser Auffassung des Vaters ist das Familiengericht Cloppenburg in einer aktuellen Entscheidung gefolgt und hat beschlossen, dass der Kindesvater darüber entscheiden darf, ob dessen Sohn mit den Urlaub darf oder nicht, Amtsgericht Cloppenburg, Aktenzeichen 11 F 786/20 SO vom 30. September 2020.

Keine Angelegenheit des täglichen Lebens

Zunächst stellt das Familiengericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung weiterer Oberlandesgerichte fest, dass aktuell eine Urlaubsreise mit dem Flugzeug ins Ausland keine Angelegenheit des täglichen Lebens sei. Urlaubsreisen in Zeiten von Corona, so das Amtsgericht Cloppenburg, würden eine neue Herausforderung mit Unsicherheiten darstellen, für die bisher eben eine routinemäßige Handhabung bei durch Covid-19 herausgeforderten Schutzmaßnahmen fehle. Die Corona Pandemie sei mit vielen Unwägbarkeiten verbunden, es bestünde keine Planungsverlässlichkeit, die aktuelle Situation sei dynamisch. „Wie schnell sich das Infektionsgeschehen verschlimmern kann, musste gerade hier im Landkreis Cloppenburg kürzlich festgestellt werden“, begründet das Gericht seine Entscheidung. Längere Quarantänezeiten oder ein festsetzen von Urlaubsrückkehrern im Ausland sei möglich, was eine nicht unerhebliche Belastung für das seelische Wohlbefinden eines Kindes darstelle, wenn es davon betroffen sei. Hinzu komme, dass Abwesenheitszeiten im Schulbetrieb möglich seien, die ein schulisches Fortkommen und Lernerfolge beeinträchtigen. Ein Schuhstart nach den Herbstferien sei für Rückreisende aus der Türkei aufgrund der aktuellen Problematik nicht gesichert. Dies, so das Gericht, habe zur Folge, dass beide Eltern über Flugreisen ins Ausland entscheiden müssen.

Keine Übereinstimmung: Kindesvater entscheidet

Vorliegend hat dann das Familiengericht bestimmt, dass dem Kindesvater, der Auslandsreisen in Coronazeiten ablehnt, das Recht übertragen wird, über die Urlaube seines Sohnes zu entscheiden. Vorliegend habe, so das Familiengericht, die Türkei höhere Corona-Fallzahlen als Deutschland, darüber hinaus sei das dortige Gesundheitssystem mit deutschem Standard nicht zu vergleichen. Sollte sich der Sohn in der Türkei infizieren, sei seine gesundheitliche Versorgung nicht so gut gesichert wie in Deutschland. Den Bedenken des Kindesvaters sei daher der Vorzug zu gewähren, sodass der Sohn nicht in die Türkei verreist.

Ergebnis:

Obwohl aktuell für die Provinz Antalya in der Türkei keine Reisewarnung vorliege, sei eine Reise dorthin mit vielen Unwägbarkeiten verbunden. Eine Notwendigkeit, die Gefahren einer Infektion und insbesondere eine anschließenden Quarantäne in Kauf zu nehmen, sei unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls nicht erkennbar. Der Kindesmutter steht es frei, ohne ihren Sohn in die Türkei zu reisen.

Auslandsreisen zu Coronazeiten

Über das Ziel entscheidet der umgangsberechtigte Elternteil

Es ist grundsätzlich allein Sache des umgangsberechtigten Elternteils, über den Ort des Ferienumgangs mit den gemeinsamen Kindern und die Art der Ferien zu entscheiden. Bei einer Entscheidung darüber, ob gemeinsame Kinder in den Ferien eine Reise ins Ausland oder gar eine Ferienreise unternehmen, handelt es sich nicht um eine Entscheidung von besonderer Bedeutung, sodass die Zustimmung des anderen Elternteils nicht erforderlich ist.

Dies bedeutet, dass zum Beispiel der Kindesvater während der Besuchswochenenden oder auch während der Ferienzeiten als Berechtigter die Zeit mit seinen Kindern frei gestalten kann und auch verreisen darf. Aktuell hat das Kammergericht Berlin im Mai 2020 noch entschieden, dass eine geplante Reise ins Ausland nach Thailand an den Kata-Beach (Phuket) möglich sei, der andere Elternteil müsse nicht zustimmen. Hinweise auf terroristische Anschläge oder gesundheitliche Risiken seien nicht gegeben, so das Gericht (Aktenzeichen 13 UF 88/18). Eine Ausnahmezustand für Thailand bestehe nicht.

Die Rechtsprechung sieht eine Notwendigkeit, dass beide Elternteile zustimmen, nur, wenn Urlaubsreisen zum Beispiel

  1. in politische Krisengebiete führen sollen, so im Frühsommer 2016 nach Antalya in der Türkei, nach dem dort der Ausnahmezustand ausgerufen worden war und extremistische Gruppen mit terroristischen Anschlägen in Touristenregionen gedroht haben.
  2. in Kriegsgebiete führen soll, so bei einer geplanten Reise in die Ostukraine Mitte 2014 zu einer Zeit von Kriegshandlungen und den Abschuss eines niederländischen Passagierflugzeugs. Eine Reise dorthin erfordert, dass beide Eltern hierzu gemeinsame Entscheidungen treffen.
  3. Kürzlich hat das Oberlandesgericht Frankfurt im März entschieden, dass aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie geplante Flugreisen eines Elternteils mit einem sechsjährigen Kind nach Nicaragua in Anbetracht der dortigen unkalkulierbaren Ansteckungsgefahren während des Fluges und während des Aufenthalts im Land nur zulässig sind, wenn beide Eltern zustimmen.

Aktuell warnt das Auswärtige Amt vor touristischen Reisen ins Ausland bis Ende dieses Monats, von einer Verlängerung ist auszugehen. Dies hat zur Folge, dass zumindest für die Staaten der Europäischen Union, Großbritannien sowie weitere europäische Staaten wie Island, Liechtenstein, Norwegen und Schweiz die Reisewarnung nicht gilt, sodass in diese Staaten ohne Zustimmung des anderen Elternteils eine Auslandsreise zulässig sein dürften. Die vom Kammergericht im Mai 2020 getroffene Entscheidung dürfte in Anbetracht der aktuell bestehenden Reisewarnung nicht mehr greifen, beide Elternteile müssten einer Reise ihres minderjährigen Kindes ins Ausland zustimmen.

Grundsätzlich sollten beide Elternteile jeweils dem anderen eine schriftliche Zustimmung erteilen, um zu verhindern, dass der verreisende Elternteil bei der Kontrolle durch die Bundespolizei am Flughafen an einer Ausreise gehindert wird, weil die Zustimmung des anderen, ebenfalls sorgeberechtigten Elternteils fehlt.

 

Betreuung durch Tagesmutter: beide Eltern müssen zustimmen

Betreuung durch Dritte ist nicht nur eine Angelegenheit des täglichen Lebens

Das Anmeldeformular für die Schule oder den Kindergarten müssen beide Eltern unterzeichnen. Auch bei der Anmeldung zur Betreuung bei einer Tagesmutter müssen beide Eltern zustimmen. Denn eine Entscheidung darüber, ob und ab welchem Alter für wie lange ein Kind eine Einrichtung besucht, ist für die kindliche Entwicklung von wesentlicher Bedeutung.

 

Diese überwiegende Rechtsauffassung hat nunmehr das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe in einer Entscheidung vom 8. Januar 2020 (Aktenzeichen 20 UF 169/19) bestätigt. Das OLG hat im Ergebnis der Kindesmutter für den Bereich der Tagesbetreuung des Kindes die Befugnis übertragen, allein entscheiden zu können.

Die Richter sind der Auffassung, eine Unterbringung bei einer Tagesmutter für wöchentlich drei Tage mit jeweils sechs Stunden Betreuung sei eine erhebliche und für die Entwicklung des Kindes bedeutsame Veränderung des Tagesablaufs. Die Begegnungen mit anderen Kindern spielten für die Entwicklung der Persönlichkeit eine wichtige Rolle.

Dass eine Tagesbetreuung negative Auswirkungen auf ein zweijähriges Kind haben könne, ist nach Auffassung des OLG nicht ersichtlich. Kinder seien sich in dieser Entwicklungsphase  darüber bewusst, mehr über andere Kinder zu erfahren. Sie würden es mögen, mit anderen Kindern zusammen zu sein und zusammen zu spielen.

Die Kindesmutter benötigt die Tagesmutter dreimal wöchentlich von 8:00 bis 14:00 Uhr, da sie während dieser Zeit ihrem Studium an der örtlichen Hochschule nachgeht. Der Kindesvater war der Auffassung, die Tagesmutter sei nicht geeignet, da diese nicht ausreichend qualifiziert sei. Im Übrigen gehe die Betreuung durch ihn oder die Großeltern des Kindes vor.

Das Oberlandesgericht hat hierfür keine Anhaltspunkte gesehen und daher den Teilbereich der elterlichen Sorge (Anmeldung bei der Tagesmutter und Vertragsunterzeichnung) der Mutter des 2-jährigen Kindes übertragen, sodass diese in eigener Verantwortung für diesen Bereich entscheiden kann.

 

Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung sind zum Beispiel

  •  die Wahl des Vornamens
  •  die Wahl einer weiterführenden Schule oder
  •  die Wahl des religiösen Bekenntnisses.
  • Keine Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung sind
  •  das Abholen vom Kindergarten oder der Schule
  • die Entscheidung über vorübergehenden Nachhilfeunterricht
  •  die tägliche Freizeitgestaltung.

Wer betreut, der bestimmt auch

Während des Umgangs mit dem Kind kann der Vater frei entscheiden

Der Elternteil, in dessen Haushalt das Kind lebt, ist mit der Ausgestaltung der Umgangskontakte nicht einverstanden. Sei es, dass der andere Elternteil zu umfangreiche Fernsehzeiten gewährt, eine aus Sicht des anderen Elternteils „ungesunde“ Nahrung ermöglicht oder einfach während des Umgangs Aktivitäten plant, mit denen der andere Elternteil – aus welchen Gründen auch immer – nicht einverstanden ist.

Nicht selten zeigt sich aber auch, dass die geltend gemachten Bedenken weniger in der berechtigten Sorge um das Kindeswohl wurzeln, sondern eher in der Paarproblematik ihre Begründung finden.

Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg hat in einer aktuellen Entscheidung vom Frühjahr 2020 (Aktenzeichen 13 UF 125/19) zu folgendem Fall entschieden:

Der Antragsteller war durch gerichtlichen Vergleich zum Umgang mit seinen beiden Söhnen berechtigt, wobei der Umgang mit dem älteren Sohn von Donnerstag nach dem Schul- beziehungsweise Hortaufenthalt bis Montag zum Schulbeginn und mit dem jüngeren Sohn von Freitag nach der Kita bis Sonntag um 18 Uhr ausgeübt wurde.

Kind vor verschlossener Kita

Die Kinder waren spätestens um 16.00 Uhr von der Schule bzw. Kita abzuholen. Den älteren Sohn hatte der Antragsteller aufgefordert, an den Umgangsfreitagen allein vom Schul-/Hortgebäude zum Kitagebäude seines Bruders zu gehen und dort auf den Vater zu warten. Nachdem das Kind an mindestens einem Freitag etwa 15 Minuten lang vor der verschlossenen Kitatür warten musste, forderte die Antragsgegnerin die Horterzieherin auf, es dem Kind nicht mehr zu erlauben, den Hort zu verlassen, um zur Kita zu gehen. Im gerichtlichen Verfahren forderte der Antragsteller, der Antragsgegnerin aufzugeben, das Verbot gegenüber dem Hort zurückzunehmen.

Das Oberlandesgericht entscheidet wie folgt: Die Art und Weise der Abholung des Kindes sind regelmäßig Bestandteil der Alltagssorge. Was aber Gegenstand der Alltagssorge ist, kann nicht gleichzeitig Umgangsmodalität sein. Ist daher ausdrücklich vereinbart, dass der Umgang nach der Schule beginnt, so ist der Moment des Schulschlusses der tatsächliche Beginn der Alltagssorge des umgangsberechtigten Vaters – auch wenn die Umgangsvereinbarung die Formulierung enthält, dass das Kind „spätestens um 16.00 Uhr“ von der Schule oder der Kita abzuholen ist.

Vater bestimmt Aufenthaltsort

Während der Dauer eines Umgangskontakts ist der Vater damit nicht nur zur Entscheidung über Angelegenheiten des täglichen Lebens berechtigt. Er bestimmt ebenso den Ort, an dem der Umgang stattfindet, das heißt den Aufenthaltsort des Kindes sowie die konkrete Ausgestaltung des Umgangs. Zu beachten sind allerdings die Belange des Kindes, etwa folgend aus gesundheitlichen Einschränkungen, sodass etwaigen Sicherheitsbedenken der Mutter auch nur in dem Umfang Rechnung zu tragen ist, als sie sich am Kindeswohl orientieren und nicht als rechtsmissbräuchlich zu werten sind.

veröffentlicht auf NWZ-Online am 19.05.20