Jugendamt muss Gericht einschalten

Keine Inobhutnahme ohne Familiengericht

Kommt das Jugendamt während eines laufenden sorgerechtlichen Verfahrens zu dem Schluss, dass das Kind aus dem Elternhaushalt herausgenommen werden sollte, muss es eine entsprechende familien­gerichtliche Entscheidung herbeiführen. An diese Entscheidung ist das Jugendamt gebunden und kann insbesondere nicht eigenmächtig das Kind in Obhut nehmen. Dies hat das Verwaltungsgericht Hannover in einer aktuellen Entscheidung vom 13. Februar 2023 (Aktenzeichen 3 B 446/23) entschieden.

In dem zugrunde liegenden Fall hatte das Gericht darüber zu befinden, ob die Inobhutnahme von zwei minderjährigen Kindern durch das Jugendamt während eines laufenden sorgerechtlichen Verfahrens zulässig war. Das Jugendamt befürchtete, dass der Kindesvater, wie bereits früher geschehen, mit den Kindern untertauchen werde. 

Familiengericht entscheidet

Solange eine einvernehmliche Regelung zwischen sorgeberechtigten Eltern auf der einen Seite und dem Jugendamt auf der anderen Seite nach den Regelungen des Sozialgesetzbuches VIII nicht möglich ist, muss das Familiengericht sofort angerufen werden. Dies galt vorliegend auch deswegen, weil erkennbar war, dass der Kindesvater mit einer freiwilligen Herausgabe der Kinder nicht einverstanden war, auch eine vorübergehende Fremdunterbringung entsprach nicht dem Willen des sorgeberechtigten Vaters.

Unzulässigkeit der Inobhutnahme

Das Verwaltungsgericht Hannover hat Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Inobhutnahme. Nach Auffassung des Gerichts hätte das Jugendamt eine familiengerichtliche Entscheidung zum weiteren Aufenthalt der Kinder herbeiführen müssen. Die Entscheidung, wie immer diese ausgefallen wäre, hätte das Jugendamt hinnehmen müssen und wäre nicht berechtigt gewesen, eine aus seiner Sicht fachlich falsche Entscheidung des Familiengerichts mittels einer unmittelbar anschließenden Inobhutnahme zu überspielen. In Anbetracht der Situation hätte das Jugendamt zwingend das Familiengericht anrufen müssen und erst nach gerichtlicher Entscheidung die Kinder in Obhut nehmen dürfen.

Auszubildende wird Ehefrau – Ehevertrag nichtig

Vor der Hochzeit schließen viele Paare einen notariellen Ehevertrag. Was sich zum Zeitpunkt der intakten Beziehung noch als unproblematisch darstellt, kann nach Beendigung der Ehe zu schwerwiegenden Streitigkeiten führen.

Eine Auszubildende erwartete von ihrem 20 Jahre älteren Chef, einem Firmeninhaber, ein Kind. Dieser erklärte sich bereit, die Auszubildende zu heiraten, falls sie auf ihre finanziellen Ansprüche, die durch die Ehe begründet werden, für den Fall der Trennung der Scheidung verzichte.

Noch vor der Heirat schlossen der Chef und seine Auszubildende einen Ehevertrag, wonach diese teilweise auf Unterhalt, auf Zugewinn sowie auf die Durchführung des Rentenausgleichs für den Fall der Trennung und Scheidung verzichtete. Kurz vor der Eheschließung hatte der Chef ausdrücklich damit gedroht, die bereits organisierte Hochzeitsfeier abzusagen, falls die künftige Ehefrau vor der Eheschließung nicht den Ehevertrag unterzeichne.

Die Ehefrau hatte nach dem Tod ihres Mannes entgegen des geschlossenen Ehevertrages auch ihren Anspruch auf Zugewinnausgleich und damit eine Erhöhung ihres Anteils am Nachlass geltend gemacht und einen entsprechenden Erbschein beantragt. Das Amtsgericht lehnte dies ab. Schließlich habe die Ehefrau durch den notariellen Vertrag auf den Zugewinn verzichtet.

Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg hat diesen Ehevertrag für nichtig erklärt (Beschluss vom 10.05.2017, Az.: 3 W 21/17). Die Ehefrau war bei Abschluss des Vertrags in einer Zwangslage. Der Chef habe seine wirtschaftlich deutlich stärkere Position ausgenutzt und die Ehefrau zur einseitigen Aufgabe sämtlicher im Rahmen einer ehetypischen Rechtspositionen bewegt. Der Verzicht sei in vermögensrechtlicher Hinsicht nicht kompensiert. Der Ehefrau fehle bei Anwendung des Ehevertrages jegliche wirtschaftliche Absicherung.

Rechtsfolgen des nichtigen Ehevertrags: Weil der Ehevertrag nichtig sei, entfalte er auch keine Rechtswirkung, so das OLG. Damit haben die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt und deshalb sei der Anteil der Ehefrau am Nachlass des Ehemannes durch den Zugewinnausgleich erhöht.

 

Autor dieses Beitrages ist Fachanwalt für Familienrecht Henning Gralle, Oldenburg, www.fachanwalt-gralle.de